Warum wollten Sie einen Film über einen Stotterer drehen?
Die Idee für «Stutterer» hatte ich, als ich ein Video online sah, in dem ein Mann von seinen Schwierigkeiten mit dem Stottern erzählte: Wie schwierig es war, das Telefon abzunehmen, da es eigentlich unmöglich war, zu telefonieren. Ausserdem hatte ich als Jugendlicher einen guten Freund, der stark stotterte. Ich erlebte also hautnah, wie es sein kann. Das ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Daher wollte ich diesen Film machen.
Wie kamen sie auf das Profil des Protagonisten?
Ein Stotterer hat es schwierig, im Alltag zu kommunizieren. So entstand die Idee dieser wunderbaren inneren Welt, die er in sich trägt – dieser innere Monolog. Er liebt das Spiel mit den Worten und kann sich sehr gut ausdrücken. Zuweilen sehr humorvoll und mit viel Ironie. Diese Fähigkeit kann er online auf sozialen Medien ausleben. Die Idee, eine Frau online kennenzulernen und sie vielleicht am Ende im echten Leben zu treffen, kam ebenfalls schnell. Ich will hier nicht zu viel verraten, aber die Grundkonstellation war schon relativ früh da.
Wie sah denn Ihre Recherche zum Thema Stottern aus?
Ich informierte mich über die aktuellen wissenschaftlichen Fakten. Am meisten inspirierten mich jedoch die vielen Videos von Stotterern auf Youtube. Von diesen unglaublich tapferen Menschen, die darüber berichten, wie es sich anfühlt, ein Stotterer zu sein und über ihren eigenen Kampf damit, wenn sie von ihren kleinen Siegen und Niederlagen berichten. All diese Eindrücke waren auch wichtig für das Gespräch mit dem Schauspieler.
Dieser ist ja kein echter Stotterer. War das Absicht?
Nein, darüber haben wir uns eigentlich keine Gedanken gemacht. Wir führten ein Casting durch und entschieden uns für den besten Schauspieler. Wenn das ein echter Stotterer gewesen wäre, hätte er die Rolle bekommen.
Die Schwierigkeit, wenn man einen Film über einen Stotterer macht ist, die Problematik aufzuzeigen, den Menschen mit dieser Einschränkung aber nicht vorzuführen. Wie haben Sie das gelöst?
Stottern spielt im Film eine Rolle. Aber ich denke nicht, dass der Film nur davon handelt. Wir alle kennen das Gefühl, nervös zu sein vor einem Date. Nicht zu wissen, wann man den nächsten Schritt machen soll, verliebt zu sein. Für mich ist der Film also im Grunde eine universelle Geschichte. Der Fakt, dass er ein Stotterer ist, ist eigentlich nur zweitrangig. Es geht um einen Menschen, der wie wir alle mit den alltäglichen Problemen des Lebens zu kämpfen hat. Deshalb fühlen sich auch so viele Leute mit dem Protagonisten verbunden.
Was kann der Film denn in der Gesellschaft bewirken?
Die Menschen können im Film sehen, dass der Mann diese wunderbare innere Stimme hat. Die meisten Menschen sehen immer nur die Behinderung. Eine Person mit einer Einschränkung muss sich aber nicht zwangsläufig damit identifizieren. Es ist also sehr interessant zu zeigen, dass es da eine andere innere Welt gibt, die wunderbar ist. Und wenn er mit diesem Mädchen zusammen kommt, kann man sehen, dass sie diese Welt teilen. Diese gemeinsame Welt, die völlig normal ist.
Der Film wird nun am internationalen Kurzfilmfestival «look&roll» in Basel gezeigt. Ein Festival mit dem Fokus Behinderung. Wie wichtig kann ein solches Filmfestival für die Gesellschaft sein?
Link zum Thema
Sehr wichtig. Ich freue mich sehr darüber, dass «Stutterer» in Basel gezeigt wird. Ich war schon einige Male als Zuschauer am «look&roll» und ich denke, dass solche Festivals wichtige Themen in die Gesellschaft bringen. Themen, die durch Kampagnen oder Plakate nie den gewünschten Effekt – vor allem bei Menschen ohne Einschränkung – hätten. Das Medium Film eignet sich dagegen sehr gut dazu, Menschen zu sensibilisieren.
«Stutterer» hat den Oscar für den besten Kurzfilm 2016 erhalten. Was bedeutet das für Sie und Ihre weitere Karriere?
Nun, es ist immer noch sehr ungewöhnlich für mich, das zu hören (lacht). Eigentlich wollten wir es mit «Stutterer» wenigstens an ein Filmfestival schaffen. Mittlerweile waren wir in den letzten zwölf Monaten an so vielen Filmfestivals auf der ganzen Welt. Und ja, den Oskar zu gewinnen, fühlt sich tatsächlich unwirklich an! Ich bin sehr dankbar dafür und natürlich sind damit viele Türen für weitere mögliche Projekte aufgegangen.