Bei «Drei» darf die frisch vermählte Serena ihre Augen öffnen. Was sie dann sieht, ist wundervoll: Wald, so weit das Auge reicht. Der Wald gehört ihrem Ehemann George, der hier in North Carolina den Grundstein zu seinem Imperium legen will. Die Weltwirtschaftskrise hat die Goldenen 20er-Jahre der USA jäh beendet, das Geld wächst nicht mehr auf den Bäumen. Aber mit dem Rohstoff Holz lässt sich noch immer ein Vermögen machen.
Serena und George sind nicht nur leidenschaftlich ineinander verliebt, sie sind auch Geschäftspartner. Ihre Heirat sorgt im Holzfällercamp deshalb für Unruhe. George stellt Serena seinen Männern als ebenbürtig vor: Was sie sagt, das gilt.
Kein Wohlfühl-Kino
Bradley Cooper und Jennifer Lawrence spielen das toughe Powerpaar, es ist bereits ihre dritte Leinwand-Zusammenarbeit, demnächst folgt mit «Joy» die vierte. Doch wer nach der Wohlfühl-Tragödie «Silver Linings Playbook» und dem humorvollen Gaunerfilm «American Hustle» einen ähnlich gutgelaunten oder unterhaltsamen Film erwartet, kann sich den Weg ins Kino getrost sparen.
«Serena» von Regisseurin Susanne Bier will die dunklen Seiten des amerikanischen Traums und den selbstzerstörerischen Raubzug an natürlichen und zwischenmenschlichen Ressourcen erforschen. Die geplante Errichtung eines Nationalparks kommt dem Holzbaron in die Quere und bedroht die Zukunft seines Unternehmens, was er seiner Frau zunächst verheimlicht.
Wie die Axt im Wald
Serena lässt sich von den Schwierigkeiten nicht beirren, sie ist furchtlos. Als der langjährige Vertraute und Freund ihres Mannes auf eigene Faust mit den Behörden verhandelt, stachelt sie George zu drastischen Massnahmen an. Und als George väterliche Gefühle für seinen illegitimen Sohn entwickelt, den er mit einer Angestellten hat, kommt zur ökonomischen Krise eine Ehekrise dazu.
Im Namen der Liebe benimmt sich Serena sprichwörtlich wie die Axt im Wald, um ihren Besitzstand und ihre Ehe zu wahren. Aus den Heimlichtuereien werden Intrigen, bis sich die Spannungen in einem Mord entladen: die blonde Traumfrau Serena entpuppt sich als blutrünstige Rächerin.
Es rascheln nicht nur die Blätter
Von «Winter's Bone» bis zu «Hunger Games» hat Jennifer Lawrence ihre Outdoor-Qualitäten immer wieder unter Beweis gestellt. Auch in «Serena» darf sie traditionelles Männerhandwerk verrichten und dabei blendend aussehen, wogegen Bradley Cooper gewohnt hölzern und unbeholfen wirkt.
Doch in dem atmosphärisch düsteren Wald rascheln eben nicht nur die Blätter, sondern auch das Papier. Der psychologische Wandel von der liebenden Ehefrau zur durchtriebenen Lady Macbeth ist zu verkürzt, als dass Lawrence diese Rolle mit mehr als bösen Blicken ausstatten könnte. So bietet «Serena» eine interessante Ausgangsidee, die sich auf den Holzweg eines misslaunigen Melodramas begibt – und dort beharrlich bleibt.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 22.12.2014, 17.06 Uhr.