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Film & Serien «Snowpiercer»: Action für Anspruchsvolle

Actionfilme sind dumm und einfallslos? Muss nicht sein. «Snowpiercer» ist brutal und kompromisslos, in den Gewaltszenen und beim Inhalt: Keilerei und Klassenkampf, Rambazamba und Religionskritik. Ein Endzeitfilm über den Kampf gegen eine falsche Religion und deren Schöpfer.

Ein Haufen Typen in Schwarz. Mit Masken. Mit Äxten. Ein Fisch wird nach vorne gereicht. Ein Maskierter schneidet das Tier auf und färbt die Schneide des Keils mit dem Blut. Dann reicht er den Fisch weiter. «Snowpiercer» ist ein Film, der von Momenten wie diesen lebt. Davon gibt es haufenweise.

Evans steht in schwarzem Mantel vor einer Gruppe von ebenfalls dunkel gekleideten Menschen. Ihnen gegenüber stehen Soldaten.
Legende: «Captain America»-Darsteller Chris Evans spielt den Anführer der Revoluzzer. Ascot Elite

Der Zug der Überlebenden

Nach einer Umweltkatastrophe lebt der Rest der Menschheit in einem Zug aus 1001 Waggons. Anhalten und aussteigen geht nicht: Draussen herrscht eine neue Eiszeit. Vorne im Zug fahren die Superreichen, am Ende vegetieren die Superarmen. Eine Revolution bricht aus. Klassenkampf. Die Revoluzzer aus der Holzklasse kämpfen sich zum Kopf des Zuges vor. Jeder Waggon, den sie erobern, eine neue Welt.

Ein Raum voller Technik. Ein Typ in einem Kittel. Auf einen Fliessband kommen glibberige braune Rechtecke. Die Nahrung der Armen. Einer der Revoluzzer geht zu einem mannshohen Kessel. Steigt die Leiter hoch. Öffnet den Kessel. Er blickt in den Kessel. Der ist voller Insekten. Aus ihnen wird das Essen gemacht. Wieder einer dieser Momente.

Poster: Oben die Köpfe der Hauptdarsteller, unten eine Ausicht auf einen Zug, der durch eine Schneelandschaft fährt
Legende: Das Kinoplakat zeigt den Zug, der nie stoppt. Ascot Elite

Heilige Zweifaltigkeit

Der Zug und sein Schöpfer werden von den Menschen der Luxus-Klasse verehrt. Sie sind die heilige Zweifaltigkeit dieser Passagiere. «Klappern und rattern. Klappern und rattern. Der Zug wird nie anhalten», trällern die Schüler im Schulwaggon. Religion ist in «Snowpiercer» ein Machtmittel des diktatorischen Zugführers. Einen Gott stellt man nicht in Frage. Dem gehorcht man.

Der Zug fährt um die Welt. Ein Jahr braucht er dafür. Immer zur selben Zeit passiert er die Stelle, wo vier Armen die Flucht gelungen ist. Kaum waren sie draussen, erfroren sie. Wie Statuen stehen sie im Schnee. Sie sind Anschauungsmaterial für die vorbeifahrenden Schüler. Wer rebelliert, ist tot. Das bringt die Lehrerin den Schülern bei.

Gesellschafts- und Religionskritik, interessante Charaktere und eben diese immer wiederkehrenden Momente, die einen gruseln, erschrecken, nachdenken lassen – «Snowpiercer» ist ein Actionfilm für Arthouse-Freunde. Deshalb hatte er auch ein Problem.

Ein zu kluger Film

Hollywood-Mogul Harvey Weinstein besitzt die Vermarktungsrechte des Films für die englischsprachigen Länder. Er fand, dass der Film sich zu viel Zeit für die Charakterzeichnung nimmt. Deshalb beschloss er, den Film um 25 Minuten zu kürzen. Regisseur Bong Joon-Ho wollte das nicht. Erst nach der erfolgreichen Berlinale-Premiere im Februar gab Weinstein nach. Er verzichtete auf Kürzungen. Allerdings wird der Film nun nur in Programmkinos laufen. Das ist schade. Immerhin: Ausserhalb der USA hat «Snowpiercer» seine Produktionskosten von rund 40 Millionen Dollar längst eingespielt.

Ticket lösen

Auf keinen Fall schwarz im Internet fahren. Der koreanische Actionfilm ist ein Zug, in den man mit einem Ticket einsteigen sollte. Grosse Bilder für eine grosse Leinwand. Das Endzeitdrama ist zynisch, brutal und intelligent. Nichts für Feinfühlige, aber für Feingeister auf jeden Fall.

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