Bill Murray kann so verlebt in die Welt gucken wie eine ungewässerte Topfpflanze. Trotzdem geht einem dabei das Herz auf. Der 64-Jährige verkörpert seine Rollen mit einer abgeklärten Distanz, die uns den Menschen hinter dem Image des Exzentrikers umso näher bringt.
Ob er Geister samt einem Hochhaus in die Luft jagt («Ghostbusters»), denselben tristen Wintertag immer und immer wieder erlebt («Groundhog Day») oder einen abgehalfterten Star mimt («Lost in Translation») – stets drückt bei Murray eine grummelige Grossherzigkeit durch, gewürzt mit einem Schuss Zynismus.
Babysitter mal anders
So ist das auch bei seiner Titelrolle in der melancholischen Komödie «St. Vincent». «Herr, nimm mich zu dir, aber spiel nicht mit mir!», seufzt der verwahrloste Kriegsveteran Vincent (Murray), als eines Tages der 12-jährige Nachbarsjunge Oliver vor seiner Tür steht.
Das Schlüsselkind hat seinen Schlüssel bei einer Prügelei verloren, ist also alles andere als ein Engel. Erlösen wird er den grantelnden Menschenfeind Vincent trotzdem: wenn schon nicht von der Bürde des Lebens, dann doch zumindest von einer grossen Portion Schwermut.
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Da Olivers alleinerziehende Mutter Maggie (Melissa McCarthy) tagsüber arbeitet, braucht sie dringend eine Nachschulbetreuung für ihren Sohn. Der finanziell klamme Vincent bietet sich gegen Bezahlung als Babysitter an. Oliver, der als Neuzugezogener in der Schule gehänselt wird, ist froh um die Bezugsperson.
Zu viele Klischees
Es ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft: Vincent lässt Oliver seinen kümmerlichen Rasen mähen, nimmt ihn mit in Bars und zu Pferdewettrennen. Er wolle dem Jungen nur zeigen, was die Welt im Innersten zusammenhalte, erklärt Vincent, als Maggie ihn für seine ungewöhnlichen Erziehungsmethoden zur Rede stellt.
Das Drehbuch von «St. Vincent» geht keine Risiken ein und führt die Figuren durch den bewährten Parcours aus kleinen Triumphen und alltäglichen Rückschlägen. Da darf, als Vincent einen Schlaganfall erleidet, auch das obligate Rollstuhlrennen im Spital nicht fehlen. Das ist fast unerträglich klischiert. Murray fügt sich den Gesetzmässigkeiten einer lauen «Dramödie» leider allzu bereitwillig.
Sein schönster Auftritt kommt zuletzt: Vincent sitzt vor dem Haus, giesst eine verdorrte Pflanze und singt dazu Bob Dylans «Shelter From the Storm». Und da möchte man Bill Murray dann doch wieder heiligsprechen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 13.1.15, 17.06 Uhr