Starke Frauen auf der Leinwand – das bringt selbst James Bond aus dem Konzept: In « Moonraker » (1979) erkundigt sich 007 nach einem gewissen Doktor Goodhead. Als er erfährt, dass es sich dabei um eine Frau hat, verliert er für einen Moment die Fassung: «A woman?» Bond traut seinen Augen nicht.
Typisch Bond? Sicher. Aber auch: Typisch Filmindustrie. Starke weibliche Figuren überraschen noch immer, weil sie im Kino so selten vorkommen. Auch generell sind Frauen auf der Leinwand untervertreten (für Zweifler: wissenschaftliche Studien dazu gibt es hier oder hier ). Es gilt die Faustregel: Blockbuster-Kino ist Männer-Kino.
Schwedische Kinos mit «Frauen-Test»
Schluss damit, sagten sich nun vier schwedische Kinos. Vor ein paar Wochen führten sie ein Bewertungssystem ein, das Filme bezüglich ihrer Repräsentation von Frauen beurteilt. Die Bestnote erhält nur, wenn ein Film den sogenannten Bechdel-Test besteht.
Der Test ist simpel: Ein Film besteht den Test dann, wenn erstens: Mindestens zwei mit Namen genannte Frauen darin mitspielen. Zweitens müssen die Frauen miteinander reden. Und zwar, drittens: über etwas anderes reden als über einen Mann.
Für Feministinnen und Filmnerds
Keine gendertheoretisch fundierte Analyse also – und auch nicht neu: Erfunden hat diesen Drei-Frage-Test die amerikanische Comiczeichnerin Alison Bechdel vor fast 30 Jahren.
Seither taucht er immer wieder auf: In Feministinnen-Kreisen, beispielsweise in der Webvideo-Serie von « Feminist Frequency ». Aber auch unter Filmfreaks ist der Test beliebter Diskussionsstoff. Auf der Website « Bechdel Test Movie List » etwa nehmen User Filme akribisch unter die Bechdel-Lupe.
«Sex And The City» besser als «Casablanca»?
Doch ist es tatsächlich so schwierig, den Bechdel-Test zu bestehen? Klassiker jedenfalls scheitern gleich reihenweise: «Star Wars» – durchgefallen. «Herr der Ringe» – durchgefallen. «Avatar» und «Casablanca» – ebenfalls durchgefallen. Bestanden haben dagegen «Pretty Woman» oder «Sex And The City».
Womit wir auch schon beim Problem des Bechdel-Tests sind: Er ist geradezu unerhört undifferenziert. Qualität oder künstlerischer Gehalt spielen keine Rolle.
Selbst Gender-Stereotypen werden vom Test nicht zuverlässig erfasst. Es reicht, wenn zwei Frauen über Handtaschen oder Schuhe reden – Test bestanden.
Schweden sorgt für Diskussionsstoff
Die schwedischen Kinobetreiber stören solche Schwachstellen nicht. Ellen Tejle, Leiterin eines der vier Kinos, liess verlauten: Man wolle mit dem eingeführten Bechdel-Rating vor allem auf den Missstand in der Filmindustrie aufmerksam machen. Das Ziel sei, mehr weibliche Geschichten und Perspektiven in die Kinos zu holen.
Das tönte vernünftig genug, dass selbst das staatliche Filminstitut den Kinos Unterstützung signalisierte. In Schweden, einem der fortschrittlichsten Länder in Sachen Gleichstellung, wenig überraschend. Andernorts rieb man sich erstaunt die Augen.
Der britische Guardian griff die Geschichte bereits früh auf – und legte nach einer gewaltigen Resonanz mit rund 1000 User-Kommentaren zwei Folgegeschichten nach ( hier und hier ). Klar finden sich unter den Kommentierenden die üblichen Misstöne («Bore off, Sweden»). Doch auffallend viele User finden den ungewöhnlichen Schritt der Kinos «extrem relevant» oder schlicht «cool».
Lesbisches Anliegen beim Mainstram angekommen
Sinnvoll oder nicht – die Idee fand bereits erste Nachahmer: Ein schwedischer Fernsehsender zeigt diesen Sonntag ausschliesslich Filme, die den Bechdel Test bestanden haben. «The Hunger Games» wird dann ebenso zu sehen sein wie «The Iron Lady» und «Savages» von Oliver Stone.
Und was meint Alison Bechdel zu den Schweden? In ihrem Blog schreibt sie: «Ich bin froh, dass die Mainstream Kultur nun aufholt, was lesbischer Feminismus bereits vor 30 Jahren tat.» Aufgeholt hat inzwischen auch ein anderer: Ur-Macho James Bond. Im jüngsten Film «Skyfall» diskutieren eine Agentin und die Geheimdienst-Vorstehende M über einen laufenden Einsatz. Bechdel-Test bestanden.