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Film & Serien «Tableau noir»: Vom leisen Tod der Schweizer Dorfkultur

Eine Dorfschule im Jura soll geschlossen werden – wie viele andere vor ihr. Der Dokumentarfilmer Yves Yersin hat das letzte Schuljahr der kleinen Schule begleitet. «Tableau Noir» ist ein eindrücklicher Dokumentarfilm. Leise, traurig, beunruhigend.

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Seit 41 Jahren unterrichtet Gilbert Hirschi an der 1153 Meter hoch gelegenen Grundschule «École Primaire Intercommunale» im Weiler Derrière-Pertuisam am Fusse des Jura-Gebirges. Es gibt nur eine Schulklasse. Die besteht aus weniger als einem Dutzend Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren. Fast alle Eltern dieser «Schäfchen» sassen früher ebenfalls im Klassenzimmer.

Die Schule verbindet die Bewohner der Region

SRG-Koproduktion

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Die SRG ist Koproduzentin dieses Films.

Bei einer kantonalen Abstimmung wird beschlossen, die Schule zu schliessen. Der Grund: zu wenig Kinder, zu viel Aufwand und zu hohe Kosten. Ein schwerer Schlag für das Dorf. Ein Stück gemeinsamer Kultur stirbt: der letzte Ort, der alle Bewohner verbindet, an dem sie sich treffen und austauschen können. Denn eine Kneipe und eine Post gibt es schon lange nicht mehr.

Ohne die Schule wird das Dorf zu einer reinen Ansammlung von Häusern. Das ist die traurige Ausgangssituation des Dokumentarfilms «Tableau Noir».

Yves Yersin

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Yves Yersin wurde 1942 in Lausanne geboren. Er arbeitet als Regisseur und freier Produzent. Seit «Les petites fugues » (1980) hat er keinen langen Kinofilm mehr produziert. Dabei war es einer der erfolgreichsten Schweizer Kinofilme überhaupt. Für «Tableau Noir» wurde von 2005 bis 2008 gedreht. Dabei entstanden ca. 1200 Stunden Filmmaterial.

Die Dorfkultur in der Schweiz stirbt, dessen ist sich Regisseur Yves Yersin sicher. Die Zwangsschliessung von Schulen, ein Trend in den Schweizer Randregionen, genauso wie das Verschwinden der Dorfläden, Beizen und Molkereien.

Praktische Übungen statt Frontalunterricht

Das zweite grosse Thema des Films ist das Bildungssystem. Regisseur Yves Yersin hat seine Schulzeit in keiner guten Erinnerung: schlechte Lehrer und mangelndes Verständnis für die Wünsche der Schüler. Heute stört ihn, dass die Note immer im Vordergrund steht.

In «Tableau Noir» bringt Yersin den Zuschauern seine Idealvorstellung vom richtigen Lernen näher, in Person des Dorflehrers Hirschi und seinen unkonventionellen Lehrmethoden. Diesem Lehrer sind strukturierte Abläufe und Regeln nicht so wichtig, theoretisches Wissen trägt er durch praktische Übungen in die Lebensrealität der Kinder. Im Film will Lehrer Hirschi den Schülern das korrekte Buchstabieren von Früchten beibringen. Dafür lässt er sie nicht einfach ein Diktat nach dem nächsten schreiben. Lehrer Hirschi holt das Obst in den Klassenraum, und macht zusammen mit den Schülern Fruchtsalat.

Der Zuschauer wird Teil der Gruppe

Regisseur Yves Yersin ist es gelungen, eine enge Beziehung zu den Kindern aufzubauen. Er ist dicht dran, wenn die Kinder lachen, weinen, spielen und sich streiten. Sie scheinen die Kamera zu vergessen, Yersin ist Teil der Gruppe. Als eine Schülerin wegen eines misslungenen Diktates weint, sagt er aufmunternd: «Weisst Du was? Ich hätte in diesem Diktat 40 Fehler gemacht. Du hast nur zehn!»

«Tableau Noir» lässt den Zuschauer nicht kalt. Man lacht, wenn eines der Kinder als Geburtstag den Mittwochnachmittag angibt. Man ist bestürzt beim Blick in die Gesichter der Dorfbewohner, kurz nach Verkünden der Schulschliessung. Und wenn man das Kino verlässt, hat man das Gefühl, dass da etwas sehr besonderes verloren gegangen ist.

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