Schon der Filmbeginn macht deutlich, dass «The Lego Movie» nicht nur verspieltes, sondern auch gesellschaftskritisches Kino ist: Die Bürger der Plastik-Welt sind gleichgeschaltet. Der Staat schreibt ihnen bis ins kleinste Detail vor, was sie tun sollen. Der Herrscher ist ein kapitalistischer Fürst und heisst auch so: Lord Business. Mit einer Geheimwaffe will er verhindern, dass sich im Lego-Reich etwas verändert. Die Machtverhältnisse sollen bleiben, wie sie sind. Ein Horrorszenario für alle Verfechter demokratischer Werte.
Ein Spiesser wird zum Erlöser
Trotzdem besteht Hoffnung: Schliesslich wurde prophezeit, dass ein «Besonderer» mit seinem «Stück des Widerstands» die Welt vor der Erstarrung retten wird. Hauptfigur Emmet hat als naiver Lego-Durchschnittsbürger weder von der drohenden Gefahr, noch vom Erlöser-Mythos je etwas gehört. Und doch wird er nach einer Verkettung unglücklicher Zufälle von Widerstandskämpfern für den Erlöser gehalten. Kann der einfache Bauarbeiter seiner angeblichen Bestimmung als rebellischer Messias gerecht werden?
Zweifel sind angebracht, schliesslich scheint Emmet alles andere als ein «Besonderer» zu sein. Wie die meisten folgt er brav den Regeln und hat das Mantra des staatlich verordneten Hitsongs verinnerlicht: «Everything is awesome!» – alles super, alles im grünen Bereich. Keine Spur von Gesellschaftskritik, geschweige denn von Rebellion. Doch genau darum geht in diesem wilden Anspielungsmix aus «The Matrix», dem «Kapital» von Karl Marx und der biblischen Erlösergeschichte letztlich.
Kapitalismus-Debatte beim starken US-Kinostart
In den USA läuft der Film schon seit zwei Monaten im Kino – äusserst erfolgreich. Mit 130 Millionen Dollar Einnahmen hat «The Lego Movie» sogar den zweitbesten Kinostart aller Zeiten im Monat Februar hingelegt. Und ein Ende der Erfolgsgeschichte ist nicht in Sicht. Bis zum heutigen Tag haben sich die Einspielergebnisse fast verdoppelt. Und auch die Fachpresse reagierte mehrheitlich begeistert auf die dritte Kooperation des jungen Regiegespanns Phil Lord und Christopher Miller.
Eine ganz andere Sicht der Dinge vertreten derweil Amerikas Hardcore-Patrioten. So regte sich beispielsweise der US-Sender Fox Business furchtbar über den Kinostart des vermeintlich «antikapitalistischen Film» auf: «Das neuste Beispiel von Hollywoods Anti-Business-Programm vermittelt Kindern das Bild, dass Grosskonzerne per se schlecht sind.» Eine sehr einseitige und nicht besonders einleuchtende Schlussfolgerung. Zumal der Film nicht nur die Auswüchse des Kapitalismus, sondern auch diktatorische, anarchistische und kommunistische Gesellschaftsformen aufs Korn nimmt.
Die Marke ist Programm
Viel Ergiebiger als das Abklopfen des Films nach antikapitalistischen Motiven ist folgende Gegenfrage: Kann es überhaupt einen kapitalistischeren Film geben als «The Lego Movie»? Schliesslich wird das Publikum 100 Minuten lang mit Lego-Bildern bombardiert.
Das geht weit über die klassische Produktplatzierung hinaus. Die Marke ist hier nicht Randerscheinung, sondern Programm. Bisher waren die «Transformers»-Kinofilme diesbezüglich das Mass aller Dinge. Doch «The Lego Movie» geht noch einen Schritt weiter als die verwandlungsfreudigen Roboter aus dem Hause Hasbro. Während in den «Transformers»-Filmen immer noch Menschen die Hauptrollen verkörperten, schreit hier wirklich jedes Bild: «Lego!»
Trotzdem wirkt die Omnipräsenz der dänischen Spielzeugklötzchen nie aufgesetzt. Warum? Vielleicht weil wir uns längst an Lego-Figuren als Helden gewöhnt haben. Auf Youtube kursieren seit Jahren unzählige Lego-Kurzfilme, die von eingefleischten Fans mit viel Liebe zum Detail gedreht wurden. Die meisten im kostengünstigen Stop-Motion-Verfahren, für das die steifen Lego-Männchen besonders gut geeignet sind. Auch die Welt der Computerspiele haben die vielseitig verwendbaren Bausteinchen längst erobert. Egal ob «Harry Potter», «Star Wars» oder Marvels «Avengers» - mittlerweile gibt es von fast allem eine passende Lego-Videogame-Version.
Die Lego-Welt als Spiegel der Popkultur
Aber nicht nur die Helden der Popkultur haben längst Eingang ins Lego-Universum gefunden. Die Spielzug-Marke selbst hat umgekehrt auch unsere Popkultur tief durchdrungen. Erstaunlich, dass die treue Fangemeinde so lange auf einen Kinofilm warten musste. Nun ist er endlich da.
In manchen Punkten liefert der Film exakt das, was erwartet werden konnte. Das Einflechten von Superhelden aus anderen Film-Sphären gehört dazu. So spielt Batman im «Lego Movie» gar eine Schlüsselrolle, während Gandalf und Han Solo Kurzauftritte haben.
Eher überraschend ist dagegen die Ausrichtung des Humors. «The Lego Movie» ist so schnell und anspielungsreich, dass nur hellwache, gebildete Kinogänger die Chance haben, alle Gags mitzukriegen. Zuschauer unter 12 Jahren werden sich höchstens an den knalligen Farben und den 3D-Effekten erfreuen; der Rest wird sie überfordern. Der Wortwitz und die Gesellschaftskritik des Spielzeugfilms sind ganz klar für Erwachsene gedacht. Von wegen Kinderkram!