Regisseur Derek Cianfrance ist ein Mann, der gerne die dunklen Seiten von Liebesbeziehungen beleuchtet. Am besten gelang ihm dies im poetisch-tragischen Trennungsfilm «Blue Valentine» (2010) mit Ryan Gosling. Der setzte seine stärkste Waffe – den wunderbar traurigen Hundeblick – auch in Cianfrances nächstem Film ein: «The Place Beyond the Pines» (2013).
Mehr Licht, mehr Schmalz
Drei Jahre später folgt nun die neuste Regiearbeit des Amerikaners. Diesmal allerdings ohne Gosling und ohne eigene Geschichte: «The Light Between Oceans» ist eine Buchverfilmung des Bestsellers von M. L. Stedman. Am Filmfestival Venedig, wo der Film Premiere feierte, erklärte Cianfrance im Interview seine Absicht: «Ich wollte einen Film im Stil eines alten Melodrams drehen.» Als eines seiner Vorbilder nennt er David Lean.
In seinen stärksten Momenten erinnert «The Light Between Oceans» tatsächlich an die Werke des britischen Regisseurs. Wenn Cianfrance von einer Öllampe auf den Sonnenaufgang schneidet, wirkt dies wie eine Umkehrung der legendären Streichholz-Wüsten-Montage aus «Lawrence of Arabia». Doch leider sind längst nicht alle Anspielungen und Aufnahmen so gelungen. Viele Landschaftsbilder wirken nicht episch, sondern kitschig.
Universelle Story, aber kein klarer Fokus
Die Story an sich ist nicht das Problem. Das Drama ist gross, als plötzlich die biologische Mutter des Findelkinds auftaucht. Wem gehört das Mädchen? Ein moralisches Dilemma, das viele Fragen aufwirft und zugleich die Geschichte antreibt. Oder zumindest antreiben sollte.
Denn statt sich auf die universelle Kernfrage zu konzentrieren, schweift Cianfrance ab. Nicht das Kind, sondern die wechselhafte Liebesgeschichte zwischen dem Leuchtturmwärter und seiner Frau ist für ihn das erzählerische Zentrum.
Vergebung als Schlüssel zum Film
Dementsprechend unfokussiert ist auch Michael Fassbenders Antwort auf die Frage, was für ihn den Kern des Films ausmacht: «Es geht um viele Dinge: Liebe, Isolation, Verlust, den Tod und das Leben – aber in erster Linie ist es Film über das Vergeben. Wer vergeben kann, besitzt ein mächtiges Werkzeug!»
Das stimmt. Darum sei Derek Cianfrance an dieser Stelle vergeben. Dafür, dass er wieder einen Beziehungsfilm gedreht hat. Einen grundsoliden zwar; aber einen, der dem Grundkonflikt mit dem Findelkind zu wenig Raum gibt. Und leider auch einen, der zu keinem Zeitpunkt den dunklen Charme seiner früheren Regiearbeiten versprüht.
Kinostart: 8.9.2016