Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie: «Jaws» (1975), so steht vielerorts zu lesen, sei der erste Blockbuster der Filmgeschichte gewesen. Er bot eine leicht verständliche Handlung mit einem weissen Hai als latenter Bedrohung. Der Film wurde von einer cleveren Marketing-Kampagne begleitet. Und fertig war das Produkt, das alle sehen wollten.
Heute hingegen sind Blockbuster aufgeblähte Superhelden-Maschinen mit zahlreichen verworrenen Handlungssträngen. Während ein Film, der im Prinzip das Gleiche macht wie Spielberg vor 40 Jahren, heute unter einem völlig anderen Fachbegriff läuft: «The Shallows» ist ein «High Concept Movie».
«High Concept Movies» erzählen universell verständliche Geschichten, die sich in möglichst wenig Worten zusammenfassen lassen, und zu deren Verfilmung ein mittleres Budget reicht. Die Idee ist klar: Mit möglichst wenig Geld soll ein möglichst grosses Publikum angesprochen werden.
Ein Fels, viele Möglichkeiten
Ganz in dieser Tradition lässt sich der Plot von «The Shallows» in einem Satz zusammenfassen: Eine Surferin (die aus «Gossip Girl» bekannte Blake Lively) wird in einer abgelegenen Bucht von einem Hai angegriffen und muss sich von einem rettenden Felsen im Meer aus überlegen, wie sie sich retten kann.
Den ganzen Film über ist das Publikum an ihrer Seite und hat an ihren Überlegungen teil: Lässt sich Kontakt zur Aussenwelt herstellen? Wie geht Wundpflege ohne Verbandskasten? Welche Utensilien lassen sich als Waffe gegen den Hai einsetzen?
Der Autor Anthony Jaswinski und der Regisseur Jaume Collet-Serra spielen den ganzen Katalog der Möglichkeiten durch und führen immer dann neue Handlungselemente ein, wenn der Spannungsbogen zu erschlaffen droht.
Die Hauptdarstellerin Blake Lively, fast in jeder Einstellung des Films zu sehen, bleibt derweil bis zum Schluss glaubwürdig als lädierte Kämpferin in Not.
Eine emotionale Dimension
Interessant ist an dem kurzweiligen Film vor allem, dass er sich ganz bewusst nicht auf ein Genre festlegen lässt: «The Shallows» ist zugleich ein Horrorfilm und ein Abenteuerfilm, eine schwarze Komödie und überraschenderweise sogar ein rührendes Familiendrama.
Denn die Beziehung der Protagonistin zu ihrer jungen Schwester und zu ihrer verstorbenen Mutter rückt erstaunlich stark in den Vordergrund.
Diese emotionalen Teile des Films – es handelt sich um eine Rahmenhandlung – überzeugen in dem ganzen Mix am wenigsten. Aber es ist leicht verständlich, weshalb sie eingebaut wurden: «The Shallows» ist darauf angelegt, auch weit über die Horrorfans hinaus ein Publikum zu erreichen, das eine detaillierte Charakterisierung der auftretenden Figuren schätzt.
Ersatz für müde Superhelden
Natürlich hat mit diesem Film niemand das Rad neu erfunden. Aber das Ergebnis unterhält bestens, und für genug Nervenkitzel ist gesorgt. In Zukunft werden solche gelungenen «High Concept Movies» in Hollywood sicher noch an Bedeutung gewinnen.
Weil die Superhelden langsam müde werden und längst nicht mehr die Einnahmegaranten sind, die sie einst waren, erhalten mittelgrosse Filme mit grossem Publikumspotenzial eine völlig neue Bedeutung im Portfolio der Hollywood-Studios.
Kinostart Deutschschweiz: 25.08.2016
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 25.08.2016, 16:50 Uhr