Fünfzig Jahre ist es mittlerweile her, dass Claude Lelouch mit seiner romantischen Komödie «Un homme et une femme» den Hauptpreis in Cannes gewann. Zudem war der Film ein immenser Publikumserfolg und das dazugehörige «Shabadabada»-Musikthema von Francis Lai ging um die Welt.
Fünfzig Jahre sind das nun auch, in denen Lelouch – nebst anderen Projekten – immer wieder den gleichen Film gedreht hat: Auf «Un homme et une femme» von 1966 folgten Werke wie «Un autre homme, une autre chance» von 1977, «Un homme et une femme: Vingt ans déjà» von 1986, «Hommes, femmes, mode d'emploi» von 1996 und jetzt eben «Un plus une», der wiederum lose auf «Un homme qui me plaît» von 1969 basiert.
«C'est à prendre ou à laisser»
Man könnte Lelouchs Obsession mit heterosexuellen Paaren belächeln und ihn gar als den Mario Barth des französischen Autorenfilms bezeichnen – oder als das cineastische Pendant eines Schlagersängers. Aber drücken wir es doch lieber positiv aus: Lelouch lässt sich nun einmal lebhaft inspirieren von den Problemen von Männern und Frauen beim Kennenlernen, beim Zusammenbleiben und beim Auseinandergehen. Wie treu er sich in dieser Hinsicht geblieben ist, und dass er dem ewig gleichen Thema nach all dieser Zeit immer noch neue Aspekte abzuringen vermag, verdient schon fast Bewunderung.
Obwohl der Vergleich mit Woody Allen in fast jeder Beziehung unzulässig ist – Allen ist ein Poet der Desillusion, Lelouch ein Träumer – haben die Werke der beiden Männer zumindest eines gemein: Mann weiss längst, was man von ihnen bekommen wird, und fragt sich allenfalls noch, ob man es mit einem besseren oder schlechteren Jahrgang zu tun hat. Ansonsten: C'est à prendre ou à laisser.
Nicht lehrerhaft, sondern mit neuen Ideen
Womit wir nun endlich zum aktuellen Film kommen: «Un plus une» ist ein verhältnismässig guter Jahrgang. Denn erstens war es seit jeher Lelouchs schlimmste Unsitte, dass er seine Theorien über die Liebe und das Leben etwas lehrerhaft verkauft, als hätten wir im Publikum nicht unsere eigenen angehäuften Erfahrungen mit Pärchenproblemen. Das lässt er hier weitgehend bleiben.
Natürlich hat uns Lelouch trotzdem ein paar «neue» Erkenntnisse mitgebracht: Menschen können sich auch dann noch Hals über Kopf verlieben, wenn sie bereits anderweitig in glücklichen Beziehungen stecken. Zweitens hat Lelouch aufs Alter die indische Spiritualität entdeckt und ist unübersehbar fasziniert davon.
Romeo und Julia auf indisch
Daraus ergibt sich nun folgende Handlung: Der glücklich mit einer jungen Pianistin liierte Filmkomponist Antoine – gespielt von Jean Dujardin, natürlich ein Alter Ego des Autors – reist für den Filmsoundtrack einer indischen Romeo-und-Julia-Variante nach Indien. Dort lernt er die Frau des französischen Botschafters (Elsa Zylberstein) kennen. Weil Filmkomponisten anscheinend über viel Freizeit verfügen, und weil der Botschafter – herausragend gespielt von Christophe Lambert – nicht gerade von der eifersüchtigen Sorte ist, gehen der Komponist und die Diplomatengattin auf eine spirituelle Reise, die Wunder bewirken soll. Und irgendwann wird dann im Ganges gebadet.
Dujardin trägt Belmondos Käppi
Wie gesagt, c'est à prendre ou à laisser. Nimmt man es allerdings, so hat man ein paar positive Überraschungen zugute: Die Dialoge sind wieder von dieser Leichtigkeit und Nonchalance, die Lelouch bisweilen schmerzlich abging. Die Schauspieler sind allesamt natürlich, frei und leicht, ihre gute Laune wirkt ansteckend. Dujardin trägt Jean-Paul Belmondos «Käppi» aus den Siebzigern, das ist lustig.
Doch die wahre Qualität ist immer noch Lelouch selbst, der bedingungslos an die Kraft seines Kinos glaubt. Weil er glaubt, was er sieht, und weil er filmt, was er sehen will. Das ist rührend – und die süssliche Musik kommt immer noch von Francis Lai. Shabadabada.
Kinostart: 23.6.2016