Es ist ziemlich genau zehn Jahre her, als Sabine Krayenbühls Arbeit als Cutterin erstmals Beachtung in Hollywood fand. Damals wurde der Dokumentarfilm «My Architect» für einen Oscar nominiert. Die Geschichte eines unehelichen Sohnes, der sich auf die Suche nach den Spuren seines längst verstorbenen Vaters macht – der berühmte amerikanische Architekt Louis Kahn. Das Material war üppig und bestand aus Interviews, Szenen aus Archiven, selbst gedrehten Reiseeindrücken von vielen Schauplätzen rund um die Welt. Und aus langen Monologen.
Eine Zürcherin in New York
Mancher kam aus dem Kino, beeindruckt vom Film, aber gleichzeitig überzeugt davon, dass er hauptsächlich wegen einer Person gelungen war: wegen der Cutterin Sabine Krayenbühl. Damals zeigte sie – vielleicht zum ersten Mal – so richtig, was in ihr steckt. «Das war wahrscheinlich der erste Film, den wir während des Schnitts gebildet haben – Szene für Szene. Gedreht, geschnitten. Es fing nicht an mit einem Schrotthaufen», sagt dazu Krayenbühl. Heute hingegen sei es im Dokumentarfilm oft so, dass der Cutter schon frühzeitig dazu komme. «Bevor sie losgehen und drehen wie wild.»
20 aufwändige Produktionen hat sie in den letzten Jahren geschnitten. Darunter «Mad Hot Ballroom», der zu den wirtschaftlich erfolgreichsten Dokumentarfilmen aller Zeiten gehört. Und «Picasso and Braque go to the Movies», produziert von Martin Scorsese.
Aufschwung des amerikanischen Dokfilms
Die Zürcherin war 1986 nach der Matura zum Filmstudium in die USA gegangen. Heute wohnt sie in Brooklyn, arbeitet in Manhattan und gehört zu einer kleinen Gruppe von Stilisten, die für den Aufschwung des amerikanischen Dokumentarfilms mitverantwortlich sind. Das Genre mit seinen faszinierenden – und faszinierend erzählten – Geschichten drängt in den USA immer mehr ins Fernsehen und in die Kinos. Parallel dazu wächst die Anerkennung für ihre Arbeit.
Gemäss Krayenbühl kann jeder die Technik lernen. «Aber die ‹art of story telling› – wie man eine Geschichte erzählt, wie man einen dramatischen Bogen bildet aus einem unsortierten Haufen Material, eine Geschichte, die Sinn macht, die emotional ist, die einen mitnimmt – das ist für mich Editing, Cutting, Montage.»
Gertrud Bell und die «Briefe aus Bagdhad»
In ihrem aktuellen Projekt verantwortet Krayenbühl nicht nur den Schnitt. Im Dokumentarfilm «Letters from Baghdad», den sie zurzeit zusammen mit Zeva Oelbaum produziert, ist sie auch als Co-Regisseurin tätig. Der Film erzählt die Geschichte von Gertrude Bell (1868-1926): Eine vielseitige Engländerin, die als Forschungsreisende, Archäologin, politische Beraterin und Angehörige des Geheimdienstes seiner Majestät im Ersten Weltkrieg im Einsatz war. Eine Frau, in vielen Belangen ihrer Zeit voraus. Auch als Alpinistin, die in der Schweiz so manchen anspruchsvollen Gipfel bestieg.
Das Thema liegt offensichtlich in der Luft. Der deutsche Regisseur Werner Herzog war soeben in Marokko, um den gleichen Stoff für einen Hollywood-Film mit Nicole Kidman in der Hauptrolle umzusetzen.
Finanzierung über Kickstarter angestossen
Um ihr Projekt voranzubringen, nutzen Krayenbühl und ihre Partnerin ein neues Hilfsmittel: Die Internetplattform Kickstarter, ein Spezialist für «Schwarmfinanzierung», um Gönner anzuwerben. Diese erhalten je nach Höhe der Zuwendung unterschiedliche Gegenleistungen. Für 10'000 Dollar etwa wird man mit seinem Namen im Nachspann des Films erwähnt, bekommt vier Tickets für die New Yorker Kinopremiere und ist Gast an der Party danach.
Aber es geht um mehr als um Geld. Auch Aufmerksamkeit ist etwas wert, sagt Sabine Krayenbühl: «Es ist März hier in Amerika. Women's History Month. Also können wir so auch Leute auf die Geschichte von Gertrude Bell aufmerksam machen. Eine Frau, die unglaublich war. Wieso kennt die niemand?»
Vermutlich kennen nicht mal die Bewohner des Berner Oberlandes diese Dame. Und das, obwohl einer der Gipfel der Engelhörner nach ihr benannt ist: die Gertrudspitze. Diese hatte sie 1901 als Erste bestiegen.