In einem Abfallcontainer einer Garage in Los Angeles findet die Polizei eine Frauenleiche. Die Szene spielt im Jahr 2002. Die Garage grenzt an eine Moschee, die im Zuge des «War on terror» der Bush-Administration vom FBI observiert wird. Deshalb stossen FBI-Special-Agent Ray Kasten (Chiwetel Ejiofor, «12 Years a Slave») und seine muntere Kollegin Jessica Cobb (Julia Roberts) zu den Polizisten.
Nach einem Blick auf die Leiche wird Ray bleich: «Das ist Carol, Jess, das ist deine Tochter!» Natürlich dreht Jessica fast durch, und natürlich setzt das ganze Team alles daran, den Mörder zu finden und zur Verurteilung zu bringen. Auch die junge Staatsanwältin Claire Sloane (Nicole Kidman), in die sich Ray Kasten eben so diskret wie hoffnungslos verliebt hat.
Wie bei «Dirty Harry»
Eine Antiterror-Taskforce, die als Reaktion auf 9/11 zusammengestellt wurde, bildet nicht das übliche Umfeld für einen Polizei-Thriller. Der mutmassliche Mörder von Claires Tochter ist bald gefunden – da er aber gleichzeitig ein wichtiger Informant aus dem Umfeld der unter Beobachtung stehenden Moschee ist, lässt ihn der zuständige Staatsanwalt unbehelligt.
Damit wären wir – auf dieser ersten Zeitebene – beim Plot eines «Dirty Harry»-Films: Frustrierte Polizisten, Staatsräson, welche die justiziable Gerechtigkeit aushebelt und ein Täter, der sich geschützt von oben auch noch über die Agenten lustig macht.
Aber eingesetzt hat der Film, wie schon das Original, Jahre später, genau genommen: Dreizehn Jahre später, in unserer Gegenwart. Ray Kasten, der seinerzeit frustriert den Dienst quittiert hat, taucht bei Staatsanwältin Claire auf, die wie erwartet Karriere gemacht hat.
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Er habe den Kerl gefunden. 696'000 Weisse sässen in den diversen US-Gefängnissen, Abend für Abend sei er die online durchgegangen –13 Jahre lang. In den nächsten Tagen solle der Schuldige freikommen. Höchste Zeit also, das damals unterdrückte Verfahren endlich aufzurollen. Zumal Jess noch immer in der Abteilung arbeitet, ein Schatten ihrer selbst zwar, aber nach wie vor eine gute Polizistin.
Geglückte Verlagerung
US-Remakes erfolgreicher fremdsprachiger Filme sind oft oberflächlich transferierte und sterilisierte Kopien. Im diesem Fall aber ergibt die Verlagerung der ursprünglichen Geschichte aus dem postdiktatorischen Argentinien ins Terror-hysterische Los Angeles von 2002 eine reizvolle Veränderung der Ausgangslage. Zumal Regisseur und Drehbuchautor Billy Ray die Figurenkonstellation der Vorlage beibehalten hat – bis hin zur unterdrückten Liebe zwischen Ejiofors Agent und Kidmans Staatsanwältin. Die Spannung zwischen Kidman und Ejiofor ist das romantische Element und gleichzeitig der «comic relief» in einer Geschichte, die ansonsten ziemlich düster angelegt ist.
Und das wiederum nutzt Julia Roberts, um einmal mehr ihrer Standardrolle in romantischen Komödien entgegenzuwirken. Ihre Jess macht eine dramatische Wandlung durch, vom fröhlichen Kumpel zur depressiven, verhärmten, verbitterten Frau – eindrücklich und gnadenlos verlebt gefilmt von Kameramann Danny Moder, Julia Roberts Ehemann im richtigen Leben.
Kinostart: 9.6.2016
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 9.6.2016, 7.20 Uhr.