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Film & Serien Viggo Mortensen als Hippie: Raus aus dem Grünen, rein ins Grauen

In «Captain Fantastic» spielt Viggo Mortensen einen alleinerziehenden Vater und zivilisationsmüden Aussteiger. Zusammen mit seinen sechs Kindern verlässt er die Wildnis, um am Begräbnis seiner Frau teilzunehmen. Dabei stösst er auf viel Unverständnis – er entdeckt aber auch eine neue Gelassenheit.

Der dänisch-amerikanische Schauspieler Viggo Mortensen ist ein vielseitiger Künstler: Er verfasst Gedichte, malt und macht Musik.

Video
Der Trailer zu «Captain Fantastic»
Aus Kultur Extras vom 16.08.2016.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 19 Sekunden.

Obendrein hat der sensible Schauspieler keine Angst vor schwierigen Rollen, wird wohl aber auf ewig als Aragorn, Waldläufer und König in «The Lord of the Rings», in Erinnerung bleiben.

Auch in seinem neuen Film «Captain Fantastic» spielt Mortensen einen Herrscher in der Wildnis. Allerdings ist sein Adel geistiger Art und seine Gefolgschaft beschränkt.

Als Aussteiger namens Ben zieht er in den undurchdringlichen Wäldern an der Nordwestküste der USA seine sechs Kinder im Alter von 6 bis 18 Jahre gross. Abseits jeglicher Zivilisation.

Hippie-Romantik am Lagerfeuer

«Amerikas Geschäft ist das Geschäft», zitiert der konsumkritische Ben den ehemaligen US-Präsidenten Calvin Coolidge und unterrichtet seine Kinder deshalb im kritischen Denken. Der Linksintellektuelle Noam Chomsky ist sein Säulenheiliger.

Bens Kinder werden in Philosophie und Physik unterrichtet und jagen sich ihr Essen mit Pfeil und Bogen selbst. Am Lagerfeuer werden gemeinsam Lieder gesungen.

Eine junge Frau mit einem Pfeilbogen auf der Jagd, in ihrem Schlepptau ein Mann mit Jeanshemd und Hut.
Legende: Gelebte Konsumkritik: So geht man in der Wildnis «essen kaufen». Paterson-Entertainment

Regisseur Matt Ross inszeniert das Leben der Hippie-Kinder wie einen grossen Abenteuerspielplatz. Doch es liegt ein Schatten über dem selbsterschaffenen Paradies.

Die Mutter der Kinder, Bens Frau, hat im Krankenhaus wegen ihrer psychischen Erkrankung Selbstmord begangen. Jetzt steht die hinterbliebene Familie Kopf.

Expedition in unbekannte Gefilde

Die Kinder wollen unbedingt zur Beerdigung ihrer Mutter fahren, Ben hadert mit seinem Schwiegervater (Frank Langella), der sich über den letzten Willen seiner Tochter hinwegsetzt und eine Erdbestattung plant. Mit einem umgebauten Schulbus fährt die Grossfamilie los, um das Schlimmste zu verhindern.

Die Reise wird zur Expedition in ein den Kindern unbekanntes Land, das von konservativen Werten geprägt ist. «Captain Fantastic» kostet den Zusammenprall der verschiedenen Lebenskulturen bewusst aus und lässt die Kinder mit ihrem Bücherwissen ein ums andere Mal an der Ignoranz biederer US-Bürger auflaufen.

Doch auch Ben als «Captain Fantastic» kommt an seine Grenzen. Ihm dämmert, dass er seine isolierten Kinder nur unzulänglich auf die Herausforderungen des Erwachsenendaseins vorbereitet.

Ein Mann im roten Anzug mit sechs bunt gekleideten Kindern in einer Kirche.
Legende: Ein bunter Haufen: Viggo Mortensen samt Kinderschar in der Kirche. Paterson-Entertainment

Sein Schwiegervater hält das strenge Programm, das Ben seinen Kindern auferlegt, gar für eine Form des Kindsmissbrauchs und droht mit der Polizei.

Abschied von der Perfektion

«Captain Fantastic» ist ein ungewöhnlicher Film: Als Roadmovie fährt er auf dem Mittelstreifen zwischen Drama und Komödie und schafft es dank Viggo Mortensens magnetischer Präsenz, beiden Seiten gerecht zu werden.

Der Film ist auch deshalb besonders, weil er sich zuletzt versöhnlich und erstaunlich undogmatisch zeigt: Für ein polarisiertes Land wie die USA, deren Gesellschaft immer extremere Positionen vertritt, wirkt so viel Kompromissbereitschaft tatsächlich fantastisch.

So kann Ben als gutmütiger Tyrann sich zuletzt von seinem Anspruch auf Perfektion lösen und dabei mit seinen Kindern ein Müsli essen – ohne dass ihm deswegen gleich ein Zacken aus der Krone fällt.

Filmstart: 18.08.2016

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 18.08.2016, 16:50 Uhr

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