Dieser Dokumentarfilm ist eine besonders gelungene Tragikomödie. Die vier alten Protagonisten sprühen manchmal vor Optimismus und Lebensfreude, und stehen dann wiederum vor den unüberwindbar scheinenden Problemen des Alters. «Ich verstehe überhaupt nichts mehr», klagt die 95-jährige Elisabeth Willen, als sie sich nach einer Lungenentzündung und mehrwöchigem Spitalaufenthalt im Altersheim wieder findet. «Gestern war ich doch noch zuhause?»
Gekonnte Inszenierung einer geschrumpften Lebenswelt
In solchen Momenten entwickelt der Film tatsächlich die Dramatik einer Tragödie. Es ist eine Binsenwahrheit, dass auch jede Dokumentation nur durch die Kraft der Erzählung und ihrer Inszenierung lebt. Frank Matter versteht es ausgezeichnet, die Geschichten zu erzählen, die seine Protagonisten leben und erleben.
Mit kleinem Team ist Matter zu seinen vier alten Protagonisten gegangen, hat sie in ihren Wohnungen gefilmt, die sie selten verlassen und die zu einer geschrumpften Lebenswelt geworden sind. Eng sind auch die Büros der Spitex, die der Regisseur ebenso filmt: Er hat den Stress und den administrativen Wahnsinn eingefangen, denen die Pflegerinnen und Pfleger ausgesetzt sind.
Die Form folgt der Geschichte
Formal passt sich der Film seinem Thema an. Auch er geht fast nie raus, bleibt in diesen Räumen, die den Menschen, die darin wohnen, ein ganzes Universum bedeuten. Auf Landschaftsaufnahmen verzichtet er vollkommen, und wenn er einmal hinausgeht, dann nur, um die Protagonisten zu begleiten: zum Coiffeur, ins Café, einmal zu einem Schlagerkonzert.
Vor allem im Angesicht eines drohenden Umzugs ins Altersheim bedeuten die eigenen vier Wände weit mehr als nur Wohnung. Sie sind Refugium, helfen oft, die dünner werdende Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu erhalten, sich nicht zu verlieren in Verwirrung, Demenz und Angst vor dem Tod. Das fängt der Film ein, indem er diese Wohnungen zu seinen Kulissen macht, fast nur in Innenräumen filmt, die einen grossen Teil der Identität seiner Protagonisten ausmachen.
Kaleidoskop der Gefühle
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Wie ein guter Spielfilm lotet Frank Matters Film «Von heute auf morgen» alle Gefühle aus: von heiter bis komisch, von melancholisch bis tragisch. Und immer wieder blitzt bei den alten Menschen eine wohltuende Sturheit und ein Rebellentum auf, sich gegen die drohende Bevormundung zu wehren.
«Recht so!», mag man rufen, wenn Frau Fröhlich mit der allzu patronisierend sprechenden Pflegerin um das Recht kämpft, ihre Hörgeräte auch abends zum Fernsehen tragen zu dürfen. Oder wenn Herr Jeker sich partout weigert, seinen Couchtisch aufzuräumen. Wunderschön, wie einen der Film da erinnert: Das sind mündige Menschen, alt und gebrechlich zwar, aber Menschen, die ihr Leben nicht hinter sich haben, sondern es noch immer leben.