In Deutschland haben das in jüngerer Zeit Spielfilme wie «Der Baader-Meinhof-Komplex» oder Andres Veiels «Wer wenn nicht wir» versucht. Der französische Regisseur Jean-Gabriel Périot hat einen anderen Weg gefunden. Für seine packende Montage benutzt er ausschliesslich Archivmaterial: zeitgenössische Fernsehreportagen, Studentenfilme oder Ausschnitte aus Filmen von Rainer Werner Fassbinder.
«Professorale Fachidioten»
Regisseur Périot montiert Fernsehberichte, in denen randalierende Studenten ihre Lehrer als «professorale Fachidioten» bezeichnen, mit anderem Archivmaterial.
So hat er hat die Reportagen von Ulrike Meinhof aufgetrieben: Jene Filme, welche die später als Kopf der sogenannten Baader-Meinhof-Bande verurteilte Journalistin in der Zeit vor ihrer Radikalisierung gedreht hatte.
Vom Ende der Toleranz
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Périots Montagefilm ist auch darum faszinierend, weil er das offizielle politische Deutschland und seine aufmüpfigen Jungen nicht gegen einander ausspielt, sondern zunächst einfach parallel montiert. Und gerade, wenn man sich selber bei einer fast unbewussten Romantisierung dieser jungen Revolutionäre ertappt, kommen plötzlich Sätze, wie sie auch heute wieder fallen. Allerdings auf der anderen politischen Seite. Heute stellt etwa die Pegida die Frage, wann man aufhören müsse mit der Toleranz.
Kino ist Politik
«Une jeunesse allemande» ist ein unglaublich erhellender Film geworden, weil er seinen Blick aus der gezeigten Zeit selber heraus wirft. Und weil er trotzdem alle Vorteile des Rückblicks ausspielt – den Überblick, das Begreifen im Nachhinein. Oder wie es einer der wilden jungen Filmemacher sagt: «Kino, das nicht politisch ist, ist Schweinekino.»
Kinostart: 24.9.2015
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 23.9.2015, 17:45 Uhr