Die Ankündigung Sylvester Stallones, mit «The Expendables» zu seinen Wurzeln zurückkehren zu wollen, versetzte 2009 Freund und Feind in freudige Erregung. Nichts weniger sollte es werden als ein standesgemässes Stelldichein von Rambo & Co., den muskelbepackten Einzelkämpfern aus dem letzten Jahrzehnt des Kalten Krieges.
Alle versammelt in einem Film, dessen Titel «The Expendables» (auf Deutsch: Die Entbehrlichen) gleichzeitig als ironisches Signal sowie trotziges Aufbäumen gegen das eigene Verschwinden zu verstehen ist. Doch wieso wurde aus dem versprochenen bombigen Klassentreffen «bloss» ein hübsch altmodisch krachender Söldnerstreifen?
Wenn Stallone ruft und keiner kommt
Fürs Erste folgte als einzig wahrer Trash-Heavy nur Dolph Lundgren dem Marschbefehl Stallones, für den ersten Streifen der mittlerweile auf vier Filme angewachsenen «The Expendables»-Reihe. Schwarzenegger und Bruce Willis schauten nur mal kurz vorbei. Und die beiden Fossile Eric Roberts und Mickey Rourke stehen eher für das Versagen der Schönheitschirurgie als jenes des Actor Studios.
Die grossen Abwesenden aber waren: Van Damme, Chuck Norris, Steven Seagal – stattdessen durfte mit Jason Statham ein Haudrauf jüngeren Datums ran. Dabei hätte es so schön werden können.
Rentner Rocky
Sylvester Stallone meldete sich bereits 2006 mit «Rocky Balboa» zurück. Der Film über Box-Rentner Rocky, der es noch einmal wissen will und dafür den 30 Jahre jüngeren Schwergewichtsmeister herausfordert, entpuppte sich, trotz irrer Prämisse, als fast schon zarte Reflexion übers Älterwerden.
Doch während Stallone in «Rocky Balboa» boxt und zwei Jahre später in «John Rambo» durch Burma ballert – fragt man sich: Was tun eigentlich Arni und Van Damme so? Wieso singt Steven Seagal, und wieso wird Chuck Norris zu einem Internet-Phänomen?
Der Gouvernator
Der 80er-Muskelberg, Arnold Schwarzenegger, hatte bis 2010 – dem Ende der zweiten (und nach Gesetz letzten) Amtszeit als Gouvernator von Kalifornien – wenig Zeit, sich Gedanken über sein Nachleben als Action-Ikone zu machen. Zu sehr war er damit beschäftigt, seinen Ruf mit Fremdgehen und der Ablehnung von Gnadenappellen zu ruinieren. Seit fünf Jahren ist er nun aber zurück im Filmgeschäft, und die Welt darf sich wieder an Schworzenegga-Wadzemadda-Englisch laben.
Van Damme und der Sinn des Lebens
Auch «The Muscles from Brussels», Jean-Claude Van Damme, meldete sich 2008 – nach Jahren des Abstiegs, die er regelmässig mit Action-Gülle düngte – von der anderen Seite des Atlantiks zurück, und zwar mit dem überraschenden Streifen «JCVD». Das war fast schon eine Arthouse-Film-Pretiose, in der Van Damme als Geisel in den Händen eines Gangsterduos über Steuerflucht, Unterhaltszahlungen und die Sinnlosigkeit des Lebens generell sowie als abgewracktes Pop-Phänomen im Speziellen reflektierte.
Steven Seagal singt
Solch diesseitige Nickligkeiten wiederum konnten Steven Seagal, den buddhistischen Pferdeschwanzträger unter den 80er-Kloppern, nicht erschüttern. Er befand sich bereits seit Mitte der 90er-Jahre, seit seinen beiden «Alarmstufe: Rot»-Hits, auf dem Weg ins Kickbox-Nirvana. Um aber trotzdem irgendwie sichtbar zu bleiben, bearbeitet Seagal seitdem vermehrt seine Gitarre als Blues-Barde mit Handkantenschlägen. Zwei Alben resultierten aus diesen Bemühungen: «Songs From The Crystal Cave» und «Mojo Priest».
Sendungen zum Thema
- Stallone zeigt seine Bilder in Nizza (Glanz&Gloria, 24.5.2015)
- Arnold Schwarzenegger in Cannes (Ganz&Gloria, 5.4.2011)
- «Erst war ich Maler, dann Schauspieler» (Glanz&Gloria, 18.2.2011)
- Sylvester Stallone und 35 Jahre Kunst (Glanz&Gloria, 18.2.2011)
- Alternde Action-Stars geben Gas (Glanz&Gloria, 4.8.2010)
- Kopf des Tages: Mickey Rourke (10vor10, 12.1.2009)
Chuck Norris kann nicht singen
Chuck Norris schliesslich, der Mann mit dem Bart, mit dem einen Gesichtsausdruck und dem Roundhousekick, erlebte – nachdem bei «Walker, Texas Ranger» der Letzte das Licht gelöscht hatte – die allererstaunlichste Wiederauferstehung als Netz-Phänomen. Der immer schon zwischen uncool und tumb oszillierende Chuck war Quelle einer Serie witziger «Chuck-Norris-Facts», die seitdem zu Selbstläufern wurden.
So wissen Kenner heute: «Chuck Norris liest keine Bücher: Er starrt sie so lange an, bis sie ihm freiwillig sagen, was er wissen will» oder «Chuck Norris hat bis zur Unendlichkeit gezählt... zweimal». Schliesslich: «Chuck Norris ist vor zehn Jahren gestorben. Der TOD hatte bis jetzt nur noch nicht den Mut, es ihm zu sagen».
Schön wäre gewesen, Stallone hätte diesen Chuck-Norris-Fact dem ersten «Expendables» als Motto vorangestellt. Dazu den verknitterten Ex-Gouverneur, der verzweifelt und mit österreichischem Akzent zum klampfenden Steven Seagal «Eye of the Tiger» kräht. Plus den im Stile Rimbauds Gedichte schreibenden Brüsseler Kickboxer Van Damme sowie Dolph Lundgren, der sich seine Hammer-&-Sichel-bewehrten Box-Fäustlinge überstreift und ins letzte Gefecht zieht. Schön wärs gewesen.