Lilith Stangenberg, Sie spielen im Film die willenlose, antriebsarme Anja, die sich durch einen Wolf aus den Zwängen der Zivilisation befreit und zu einer sinnlichen und kraftvollen Frau wird. Dabei haben Sie sich in einen Wolf verliebt.
Nelson hiess er, mein Spielpartner. Verliebt würde ich dem nicht sagen. Aber ich war irgendwie ganz versessen in dieses Tier.
Wieso?
So ein Wolf, der schaut einen an mit seinen gelben Augen, als wäre er 200 Jahre alt. Der weiss was über einen, was man selber nicht weiss. Der hat eine unwiderstehliche Aura und hat mich sofort in seinen Bann gezogen.
Angetan hat es Ihnen aber auch Ihre Filmfigur Anja?
Ja, ich kann ihre Sehnsucht so gut verstehen. Diese junge Frau will aus der Welt, in der wir uns bewegen ausbrechen. Eine Welt in der alle damit beschäftigt sind alles zu kontrollieren und domestizieren, die Zukunft zu planen, sich abzusichern, vorzusorgen. Sie begibt sich freiwillig in einen lebensbedrohlichen Zustand, sperrt ein gefährliches Raubtier in die Wohnung. Sie spielt nicht die sichere Karte sondern setzt alles auf rot. Diese Radikalität hab ich selber zwar nicht in meinem Leben aber das Gefühl, das verstehe ich so gut.
Gab es Momente, wo die Arbeit an diesem Film auch für sie selber etwas Befreiendes hatte?
Ja, das Nacktsein zum Beispiel. Für eine Schauspielerin ist es nicht so leicht sich auszuziehen vor der Kamera. Aber für die Figur in dem Moment ist es total egal, ob sie nackt oder angezogen ist. Und sich diese Freiheit, diese Hemmungslosigkeit zu erobern – das war sehr belohnend, da liegt eine grosse Unabhängigkeit drin.
Dem Wolf als Spielpartner ist das egal – der achtet auf andere Dinge?
Ja, der Wolf hat mir immer dann misstraut, wenn ich angespannt oder nervös war. Dann hat die Szene nicht funktioniert. Er hat es wahrscheinlich gerochen oder an meiner Körpersprache gelesen. Dadurch hat der Wolf mich zu einem sehr wahrhaftigen Spiel gezwungen und mir damit künstlerisch ein grosses Geschenk gemacht.
Hatten Sie je Angst vor ihm?
Nein, Angst hatte ich nicht. Ich war immer sehr stolz und hab das als Gnade empfunden, dass ich dieses Tier treffen und mit ihm spielen darf.
Wie muss man sich eine Szenenprobe mit Wolf vorstellen?
Ich bin drei Wochen vor Drehbeginn nach Ungarn gefahren zu dem Tiertrainer und dem Wolfsrudel und hab mit einem von ihnen, Nelson hiess er, geübt. Simple Dinge wie nebeneinander laufen oder an der Leine führen. Oder ich musste mich hinlegen und der Wolf sollte sich neben mich legen.
Dabei ging es immer darum, dass ich sein Vertrauen gewinne. Die Angst des Wolfes kannst du schnell auslösen, etwa wenn du zu laut sprichst oder dich hektisch bewegst – aber sein Vertrauen zu gewinnen, ist ganz schwer.
Und auf dem Set?
Der Wolf arbeitet ja nur, wenn er Hunger hat. Auf dem Dreh hiess das, er musste vor den Aufnahmen «leicht gesättigt aber mit noch etwas Appetit» sein. Und wenn der Wolf dann zu mir kommen sollte, wurde ich mit Leberwurst eingeschmiert, zum Beispiel hinter dem Ohr. Dann kam er, weil er die Wurst wollte.
Also alles nur für die Wurst?
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Nein, es gab auch Momente im Film, da kam er ganz freiwillig, und nicht, weil das so geübt war. In der Wüste gab es so einen Moment. Ich breche zusammen und der Wolf legt sich zu mir. Das hat er einfach gemacht. Da hat er mich schon als Rudelkollegen wahrgenommen. Das war berührend.
Kinostart: 28.4.2016