Eigentlich ist Leonhard Zelig (Woody Allen) bloss ein kleiner jüdischer Büroangestellter im Amerika der 1920er- und 30er-Jahre, ein Durchschnittsmensch ohne grosse Ambitionen. Doch sein übergrosses Anpassungsbedürfnis lässt ihn buchstäblich aus der Haut schlüpfen und sich seinem jeweiligen Umfeld angleichen. In Gegenwart gewichtiger Staatsmänner legt er eine staatstragende Würde an den Tag. In Gesellschaft einer schwarzen Jazzband wird er zum schwarzen Trompeter, und unter den Bewohnern Chinatowns nimmt er in kürzester Zeit deren charakteristische Merkmale an.
Vom Liebling der Medien zum gesuchten Verbrecher
Anfang der Dreissigerjahre schreibt er endgültig Zeitgeschichte, als er inmitten der Braunhemden Hitler zujubelt: Der kleine Jude als perfekter Nazi. Die Presse erkennt in ihm schon bald einen neuen Star. Zelig wird zur Jahrmarktattraktion einer Gesellschaft, die immer wieder nach neuen Sensationen giert.
Doch eines Tages schlägt die öffentliche Meinung um. Man verfolgt Zelig als Bigamisten, als kriminelles Monster, dem unzählige Verbrechen angelastet werden. Er ergreift die Flucht. Einzig seine Psychiaterin Eudora Fletcher (Mia Farrow), die sich in ihren ungewöhnlichen Patienten verliebt hat, hält noch zu ihm. Die Doktora setzt alles daran, ihn von seinem «Chamäleon-Syndrom» zu heilen.
Dadaistisches Spiel mit Authentizität
Im Rahmen seines Themenschwerpunktes «Big Dada» zur Dada-Bewegung, die vor 100 Jahren in Zürich ihren Anfang nahm, zeigt Schweizer Radio und Fernsehen die fiktive Dokubiografie «Zelig» von Woody Allen. Lange vor dem US-Komiker experimentierten die Dadaisten mit Identitäten und der flüchtigen Erscheinung des modernen Menschen in der Masse.
Mehr als ein halbes Jahrhundert später spielt Woody Allen hier den Jedermann, der gleichzeitig ein Niemand ist, verzweifelt darum bemüht, von allen geliebt zu werden und der sich dafür allerlei monströsen Verwandlungen unterzieht. Allen hinterfragt die dokumentarische Authentizität mit geschickten formalen Manipulationen: Er stellt echtes Archivmaterial aus den Zwanzigerjahren neben gefälschtes und retuschiertes, er lässt Grössen wie Susan Sonntag oder Saul Bellow in gespielten Interviews das Phänomen Zelig interpretieren und lässt ihn gemeinsam mit Papst Pius XI. die Gläubigen begrüssen. Der «Spiegel» nennt den Film «eine hinreissende Satire» und «ein Wunderwerk an Dokumentarmontagen, wenn Allen da mit nahtloser Perfektion in Nazi-Wochenschauen, Prominentenpartys mit Chaplin, Cagney und US-Präsidenten montiert wird».