Am Ende der Pressevorführung in Cannes rief ein entnervter französischer Kollege etwas von «Schulkino» in den Saal. Er traf damit wohl den Nerv vieler Cannes-Pilger.
Was hat «Rodin», dieser hoch konventionelle Künstlerfilm, im Wettbewerb dieses Festivals verloren?
Psychotante und Naturbursche?
Regisseur Jacques Doillon hat schon vieles gewagt in seiner Karriere. Weshalb also Auguste Rodin aus der Perspektive Rodins? Und Camille Claudel nun plötzlich als isolierte Psychotante?
Die Künstlerin lernten wir 1988 ganz anders kennen, als Isabelle Adjani sie spielte. «Camille Claudel, 1915» mit Juliette Binoche gab ihr noch einmal ein anderes Gesicht.
Vielleicht konnte Doillon einfach nicht widerstehen: Mit einem Prachtsdarsteller wie Vincent Lindon ist die physische Präsenz Rodins schon mal gegeben. Die geschulte Naturburschigkeit auch.
Atelier als Höllenpforte
Und so wird munter das Atelier als Höllenpforte rekonstruiert. Camille und August kneten andauernd an Kopien klassischer Rodins herum, die fertig und darum kaum erkennbar sind. Dazwischen werden immer wieder Modelle in schön verbogenen Posen im Atelier drapiert.
Bloss zwei Elemente dieses Films gewinnen an Eigenleben: Das eine ist Rodins Kampf um seine Balzac-Skulptur. Zu dieser kommt die entscheidende Idee, die Bekleidung des Körpers nämlich, im Film ganz beiläufig von Camille Claudel.
Die Frau im Hintergrund
Das zweite Element ist die Figur von Rodins Lebenspartnerin Rose Beuret. Sie führt geduldig und zuweilen verzweifelt ein Schattendasein und Domestikenleben an seiner Seite. Sie ist die Frau, die Rodin nie anerkannte in seinem Leben.
Séverine Caneele spielt diese Frau mit der körperlichen Wuchtigkeit einer Königin und dem Stehvermögen eines kleinen Landmädchens. Das wäre die Geschichte, die dem Film Leben hätte einhauchen können.
Schön, aber altmodisch
Das Rodin-Museum gehört zu den Produktionspartnern des Films. Hin und wieder hat man einen leisen Verdacht: Die Nachfahren jener Auftraggeber, denen die Balzac-Skulptur nicht klassisch und feierlich genug gewesen ist, waren wohl an der Finanzierung dieses Films beteiligt. Denn er ist ebenso schön gefilmt wie altmodisch inszeniert.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 24.5.17, 9:02 Uhr