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Filmfestival Cannes Die Kunst im Kommerz: «Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?»

Die Dreharbeiten für die «Psycho»-Duschszene dauerten sieben Tage. Hitchcock erklärte François Truffaut, wie er sie gedreht hat. Entstanden ist ein Buch, das die Filmwelt revolutionieren sollte. Auf dem Filmfestival in Cannes zeigte die Dokumentation «Hitchcock/Truffaut» die Auswirkungen des Buches.

Es war der Beginn einer ungleichen Freundschaft: François Truffaut schrieb Alfred Hitchcock, dass er ihn über seine Arbeitsweise interviewen möchte. Das Ungewöhnliche daran: Truffaut war Filmkritiker und ein Pionier der Nouvelle Vague. Der Regisseur des neuen, französischen Autorenkinos verehrte Hitchcocks Filme. Filme aus Hollywood. Filme für die breite Masse.

Truffaut erkannte unter deren Hochglanz-Mantel Hitchcocks Genialität. Er schrieb ihm, dass er der ganzen Welt die verborgene Kunst von Hitchcocks Film-Technik offenbaren möchte. Daraufhin schrieb der Brite ihm zurück: Sein Schreiben habe ihn zu Tränen gerührt. Darum stehe er gerne für sein Projekt zur Verfügung.

Von Scorsese bis Fincher – das Buch prägte sie alle

So entstand 1966 das Sachbuch «Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?». Und so beginnt auch der Dokumentarfilm «Hitchcock/Truffaut». Ein Film über die Entstehungsgeschichte eines Standardwerks der Filmliteratur. Und ein Film darüber, und wie dieses Buch, das Kino geprägt hat.

Regisseur Kent Jones liess für seine Dokumentation Regisseure zu Wort kommen, die jetzt schon Legenden sind: Martin Scorsese («Taxi Driver»), David Fincher («Fight Club») und Wes Anderson («The Grand Budapest Hotel»), um nur einige genannt zu haben. Sie alle sprechen über ihren ganz persönlichen Bezug zum Buch.

«Vertigo» aus neuer Perspektive

François Truffaut bereitete sich auf das Gespräch mit Hitchcock so akribisch vor wie für einen Filmdreh. Zusammen mit der Übersetzerin Helene Scott liess Truffaut Alfred Hitchcock 50 seiner Werke erklären – darunter Klassiker wie «Psycho» oder «Vertigo». Daraus resultierten 50 Stunden Interviewmaterial auf Tonband. Die Dokumentation verwebt die Gespräche geschickt mit Ausschnitten von Hitchcocks Filmen. So bekommt eine Filmszene, die man vielleicht schon etliche Male gesehen hat eine neue Intensität. Ganz einfach, weil man die Analyse der zwei Filmmeister dazu hört.

Hitchcocks Magie bestand darin, Emotionen und Spannung über die Bildsprache statt über die Dialoge zu erzählen. Obwohl sich das Kino in den letzten 50 Jahren rasant weiterentwickelt hat, bleibt die Wirkungsmacht von Hitchcocks Methoden ungebrochen.

Die Dokumentation «Hitchcock/Truffaut» ist aber nicht nur interessant für Leute, die das Buch gelesen haben oder im Filmbusiness arbeiten. Es ist auch die Geschichte zweier unterschiedlicher Meister ihres Fachs, welche die Augen vor dem Gegensätzlichen nie verschlossen haben. Trotz des Altersunterschieds von 32 Jahren, anderer Herkunft und gegensätzlichen Genre-Vorlieben waren beide offen dafür, voneinander zu lernen.

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