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Filmfestival Cannes Kranke, faszinierende Welt: «Mad Max» ist zurück

In Cannes kehrt mit «Mad Max: Fury Road» die Filmreihe zurück, die in den späten 70er- und frühen 80er-Jahren Actionfans begeisterte und Mel Gibson zum Star machte. Der Film ist eine einzige, lange Verfolgungsjagd und lässt Blockbuster wie die «Avengers»- und «Fast and Furios»-Reihen alt aussehen.

Eine komplexe, durchdachte Geschichte? Vergessen Sie es. Da sind Sie im falschen Film. Bei Mad Max ging es noch nie um die Geschichte. Es ging immer darum, sich an einer kranken, furchterregenden Welt in einer düsteren Zukunft zu ergötzen. Das gilt für das Original von 1979, für den stilprägenden zweiten Teil von 1981 und auch für den dritten Teil von 1985, obwohl der eine weichgespülte Kinokatastrophe für die ganze Familie war.

Eine einzige lange Verfolgungsjagd

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SRF zeigt den zweiten «Mad Max»-Film:

«Mad Max II – Der Vollstrecker» : SA 23. Mai, 00:05 Uhr, SRF 1

Der supersimple Inhalt von «Mad Max: Fury Road» zeigt die Absurdität der Welt: Mad Max wird von fiesen Freaks gefangen, wird als lebende Blutbank missbraucht, flieht, landet auf einem Tanklaster mit einen halben Dutzend Frauen. Die sehen alle aus, als hätten sie gerade bei einem Shooting von Heidi Klums «Germany's Next Topmodel» mitgemacht. Den Laster fährt eine Truckerin mit Metallarm. Sie wird von einer wunderbaren Charlize Theron gespielt, die mehr Sex ausstrahlt, als die modelmageren Mitfahrerinnen. Furiosa heisst passenderweise ihre Figur.

Vier knapp bekleidete Frauen, stehend, zwischen Ihnen eine Frau, deren einer Unterarm fehlt (sitzend).
Legende: Charlize Theron (sitzend) als Furiosa inmitten ihrer modelmageren Mitfahrerinnen. Warner Bros.

Furiosa und die Topmodels fliehen vor einem fiesen Scheinheiligen namens Immortan Joe. Der benutzt die Frauen zur Fortpflanzung. Widerwillig stellt sich Max auf die Seite der Truckerin. Kurz zusammengefasst: «Mad Max: Fury Road» ist eine einzige lange Verfolgungsjagd. In einem Stil gefilmt, der die Blockbuster der «Avengers»- und «Fast and Furios»-Reihen alt aussehen lässt.

Panoptikum degenerierter Wesen

In der kranken, furchterregenden Welt leben Menschen auf Stelzen, die durch ein Sumpfgebiet wandern, auf der Suche nach Nahrung. Ein Zwerg mit Fernrohr thront auf einem Berg, umgeben von weissbemalten, kahlgeschorenen, geschminkten Gestalten. Sein Boss: ein Albino, gebaut wie ein Bodybuilder, übersät mit Geschwüren. Nur mit einer Beatmungsmaschine kann er seinen Körper mit Sauerstoff versorgen.

Die Welt von Mad Max ist voll solcher seltsamer Gestalten: ein Panoptikum degenerierter Wesen, die meist gefährlich sind, die erschrecken, die Angst machen, die in dieser Grauenhaftigkeit selten auf der Leinwand zu finden sind. Diese Wesen waren einst Menschen.

Hoffnungslose Zukunft

Die Zivilisation, wie wir sie kennen, existiert in der Welt von Mad Max nicht mehr. Benzin und Wasser sind knapp. Nichts wächst ausser der Wüste. Städte sind Vergangenheit. Diese Zukunftsvision hat Regisseur George Miller einst für den zweiten Teil der Reihe entworfen, Anfang der 1980er-Jahre. Sie war geprägt von der zurückliegenden Öl- und Wirtschaftkrise.

Diese Vision hat nichts an Aktualität verloren. Im Gegenteil: Desertifikation, die fortschreitende Wüstenbildung, ist ein wachsendes Problem. In Kalifornien muss wegen der anhaltenden Dürre das Wasser rationiert werden. Und es gibt noch mehr Beispiele.

Für den vierten Teil hat Miller weitere Details des Horrorszenarios entwickelt: Frauen werden in Fortpflanzungs- und Milchmelkfarmen gehalten, das Christentum ist verschwunden; die Menschen wollen ins Walhalla, nicht ins Paradies.

Tötungsmaschine als Antiheld

Zentrale Figur dieser kranken Welt ist, klar, Mad Max. Früher spielte Mel Gibson den Endzeitabenteurer; jetzt ist der Batman-erprobte Brite Tom Hardy in die Rolle geschlüpft und lässt einen den guten alten Mel vergessen. Mad Max ist ein Verrückter, ein Überlebender, eine Tötungsmaschine, vom Instinkt getrieben. Worte sind nicht seine Waffen, er ist ein grosser Schweiger. Mit Heldentum hat er nichts am Hut. Er reagiert nur, wenn er bedroht wird, oder etwas braucht – eine radikalere Version eines Antihelden gab es selten.

Erlösung, die keine ist

Max ist aber nicht gefühllos. Er leidet. Darunter, dass er stets lebendig das Schlachtfeld verlässt. Freunde und Familie sind getötet worden und er konnte es nicht verhindern. Schuldgefühle eines Kriegsveteranen: Warum sind sie tot, die bessere Menschen waren als ich? Wieso erwischt es nicht mich? Dem Zuschauer wird das Trauma von Max in kurzen, schockartigen Rückblenden an den Kopf geworfen.

Max sucht Erlösung und findet sie am Ende. Aber das ändert nicht viel für ihn. Er bleibt ein Verrückter, ein Überlebender, eine Tötungsmaschine, vom Instinkt getrieben. Denn die Fortsetzung ist schon geplant, und wer will schon einen befriedeten Max sehen, der geruhsam in einer Hütte lebt und Gurken anbaut.

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