Das Singleleben ist nicht immer einfach. Einladungen bei Paaren sind rar, am heimatlichen Essenstisch oder vor dem Fernseher ist es einsam, man wird bemitleidet und bemitleidet sich selbst und Masturbation ist auf Dauer zwar nicht unbedingt unbefriedigend, aber auch nicht gerade kommunikativ.
Im Grunde ist ein Single stets auf der Suche nach einer besseren Hälfte. Doch was passiert, wenn diese sich nicht finden lässt? Oder aber der gefundene Partner einen verstösst oder verwitwet hinterlässt?
45 Tage Zeit, um einen Partner zu finden
Der griechische Regisseur Yorgos Lanthimos dreht das Rad um einiges weiter und entwirft im Wettbewerbsbeitrag «Lobster» das dystopische Bild einer ausschliesslich für Paare ausgerichteten Gesellschaft. Wer allein ist, wird in einem Hotel auf dem Lande interniert und hat dort 45 Tage Zeit, einen neuen Lebenspartner zu finden. Gelingt das nicht, dann wird man zur Strafe in ein Tier verwandelt. In welches, darf sich der Betroffene immerhin selbst aussuchen.
Damit nicht genug, hält Regisseur Lanthimos auch noch eine Parallelwelt parat. In den Wäldern leben Outlaws als bindungsfeindliche Single-Ideologen. Wer flirtet, küsst oder sich verliebt, wird blutig bestraft. Es ist eine Welt ohne Liebe, in der die Protagonisten doch nichts anderes suchen und ohne Liebe doppelt bestraft sind.
Hochkarätig besetzt
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Lanthimos hat seine gruselige Versuchsanordnung hochkarätig besetzt: David, dessen Leidensweg als Alleinstehender wir verfolgen und der im Falle seines Scheiterns in einen Hummer – also einen Lobster – verwandelt werden möchte, wird von Colin Farrell gemimt. Neben ihm kommen Rachel Weisz, John C. Reilly, Léa Seydoux oder auch Ben Whishaw zum Einsatz.
Ein internationales Staraufgebot, das nicht gerade griechisch klingt, was Lanthimos allenfalls musikalisch kompensiert. Wozu auch national denken? Lanthimos selbst lebt seit Jahren in London und «The Lobster» ist eine Koproduktion (griechisch-englisch-irisch-niederländisch-französisch) im besten Sinne. Denn diese Parabel ist ebenso international wie ihre Geldgeber. «The Lobster» ist ein gelungener Beitrag im Wettbewerb.
Groteske Bilder, abgründiger Humor und rohe Gewalt
Lanthimos gelingt eine bemerkenswerte Mischung aus Endzeitstimmung, Skurrilität, Situationskomik, abgründigem Humor, aber auch roher Gewalt. Dabei erinnert der Grieche manchmal an die bunt versponnenen Welten eines Wes Anderson. Wenn Lanthimos sein groteskes Personal zum Beispiel durch alte Hotelgänge laufen lässt, während durch die Wälder ehemalige Singles als Dromedare, Ponys, streunende Hunde oder Pfauen schleichen.
In anderen Momenten wähnt man sich eher beim schwedischen Kollegen Roy Anderson, etwa wenn die gnadenlose Hotelmanagerin zur Animation der Pärchenbildung gemeinsam mit ihrem Lebenspartner minutenlang ein Liebeslied singt und das ohne nennenswerte Mimik. Dennoch erkennt man stets Lanthimas eigene Handschrift.
Am Ende siegt die Liebe?
Die Geschichte selbst erschöpft sich allerdings an einem gewissen Punkt gen Ende. Die weiteren Wendungen werden kaum noch als Überraschung empfunden, was vorher über weite Strecken gelingt. Am Ende siegt schliesslich doch die Liebe. Oder die Vorstellung davon. Denn wahre Liebe macht bei Lanthimos im wahrsten Sinne des Wortes blind.
Das passende Lied zum Film spielte hingegen die Berliner Band «Die Lassie Singers» bereits 1991 ein. Mit diesem Ohrwurm verlässt man das Kino, den Refrain summend: «Pärchen verpisst Euch, keiner vermisst Euch.»