Das ist nun wirklich mal ein Lebenswerk: In über 160 Filmen hat Jackie Chan in sechs Jahrzehnten mitgespielt. In jedem davon hat er sich voll reingehängt. Er koordiniert die Stunts, schreibt Drehbücher, führt Regie und singt sogar die Titelmelodien. «Ich bin jetzt 71, und kann immer noch kämpfen», sagt Jackie Chan auf der Piazza Grande in Locarno.
Der Weltstar aus Hongkong gibt sich in Locarno auffallend schweigsam. Interviews gibt er keine, nicht mal am roten Teppich dürfen Journalistinnen Fragen stellen. Einzig bei einem restlos ausverkauften Podiumsgespräch im Kino GranRex spricht er mit Festivalleiter Giona A. Nazzaro über sein beeindruckendes Werk.
Unermüdlich und zäh
Chan begann in jungen Jahren als Stuntman, bevor er selbst zum Schauspieler und Stuntkoordinator wurde. Sein Markenzeichen: waghalsige Stunts und überraschende Kampfszenen. Chan kämpft mit allem, was er in die Finger kriegt, seine Kampfszenen verbinden Komödie und Kampf meisterlich.
Er ist ein unermüdlicher Perfektionist, der Szenen endlos wiederholt, bis jeder Schlag perfekt sitzt – und der für seine Filme Kopf und Kragen riskiert. Was Jackie Chan in seinen Filmen macht, kann sonst keiner.
Vom Dreh ins Spital
Die Methode Chan ist simpel: «Action, Jump, Cut, Hospital», wie er in Locarno sagt. Wer jeden Stunt selbst macht, muss nichts hinter schnellen Schnitten verstecken oder mit Computeranimation beschönigen.
In Locarno kritisiert Chan Actionfilme aus den USA, in denen die Action oft jeglicher Logik entbehrt und wegen der hohen Schnittfrequenz auch kaum zu sehen ist. Bei Jackie Chan hingegen ist jede einzelne Bewegung zielgerichtet, folgt einem strengen Rhythmus – und ist in langen Einstellungen auch deutlich zu erkennen.
Damit wurde Chan erst zum Superstar in Asien, bevor ihm Mitte der 1990er-Jahre der Sprung nach Hollywood gelang. Die Filmreihe «Rush Hour» machte ihn zum Weltstar. Doch in den letzten Jahrzehnten drehte Chan immer seltener in Hollywood und immer öfter in China.
Dabei hat er sich auch politisch immer mehr an China angenähert. Er signalisiert Nähe zur Partei und lässt sich auch für Propagandafilme einspannen. Für vereinzelte demokratiefeindliche Aussagen erntete Jackie Chan viel Kritik – besonders aus seiner Heimat Hongkong und aus Taiwan, von wo seine Frau stammt.
«Es gibt noch Meinungsfreiheit»
Der Verdacht liegt nahe, dass Jackie Chan in Locarno keine Interviews geben will, um weitere Kontroversen zu vermeiden. Passt das zu einem Filmfestival, das sich als Ort des Austausches versteht?
Festivalleiter Nazzaro winkt ab: «Wir haben Jackie Chan als Filmemacher, als Künstler eingeladen. Man kann mit ihm einverstanden sein oder nicht, das ist unser Recht. Glücklicherweise gibt es noch Meinungsfreiheit.»
Die einzige politische Aussage Chans in Locarno ist dieser unverfängliche Satz, den er auf der Piazza Grande sagt: «Ich wünsche mir mit diesem Preis, dass die Welt zusammenkommt. Liebe und Frieden.» Man hätte ihm gerne eine Nachfrage gestellt.