Barbet Schroeders Dokumentarfilm «Le Vénérable W.», der in Locarno ausser Konkurrenz gezeigt wird, beginnt mit einem beunruhigenden Zitat seines Protagonisten Ashin Wirathu. Darin vergleicht der buddhistische Mönch Muslime mit dem afrikanischen Raubwels: Wie dieser Fisch würden sie sich rasend schnell vermehren und seien von Natur aus gewalttätig.
Wirathu trägt diese Äusserung nicht mit wutverzerrtem Gesicht, erhobenem Zeigefinger oder schreiend vor – er wirkt besonnen und lächelt sanftmütig. Schnell wird klar: Der Mann glaubt wirklich, was er propagiert.
Der ehrwürdige Wirathu
Selbstverständlich sieht sich Wirathu selbst weder als Hassprediger noch als Rassisten. Er habe es sich nun einmal zur Lebensaufgabe gemacht, die Bewohner Myanmars vor der muslimischen Minderheit – insbesondere der Rohingya – zu warnen, die mit ihrem Glauben die «Rasse und Religion» des Landes bedrohen würden.
Zu diesem Zweck gründete Wirathu erst die Bewegung «969», die zu Beginn noch buddhistische Symbole verwendete, um ihre islamophoben Botschaften zu verbreiten – bis ihr dies untersagt wurde.
Zudem ist er der Kopf der «Ma Ba Tha»-Organisation, einer professionell strukturierten Propaganda-Maschine, die unter anderem Pamphlete, DVDs und Online-Falschnachrichten verbreitet. Damit soll die buddhistische Mehrheit Myanmars gegen die rund vier Prozent Muslime, die im Land leben, aufgehetzt werden.
Eine Friedensnobelpreisträgerin in der Kritik
Dass Wirathu mit seinen Methoden bei Teilen des birmanischen Volkes auf offene Ohren stösst, zeigt sich anhand diverser brutaler Übergriffe auf muslimische Gemeinden im ganzen Land, die seit mehr als zehn Jahren regelmässig stattfinden.
Die Muslime, welche diese überleben, werden aus ihren Heimatorten vertrieben und landen in Flüchtlingslagern. Etwa 140'000 Leute, verteilt auf sechs Lager, sollen es mittlerweile sein.
Diverse Menschenrechtsorganisationen stufen die Muslime Myanmars als die meistverfolgte Minderheit weltweit ein. Kein gutes Licht wirft die Situation auf Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, die unlängst den Begriff ethnische Säuberung für «zu stark» befunden hatte.
Keine kritischen Fragen
Der Regisseur Barbet verzichtet in «The Venerable W.» darauf, seinen Protagonisten mit kritischen Fragen zu konfrontieren – er lässt ihn von sich aus erzählen.
Was nach einem sonderbaren Ansatz klingt, macht sich im Endeffekt bezahlt: Wirathus irrationales Gemüt, seine Verblendung, sein Grössenwahn und sein Narzissmus zeichnen sich so im Verlaufe des Filmes immer mehr ab – bis nichts mehr weiter zu überraschen vermag: Weder seine Wahlempfehlung ans US-Volk (Donald Trump – selbstredend) noch die Erkenntnis, dass er weibliche UN-Abgeordnete, die sein Vorgehen verurteilen, vorzugsweise als «Huren» betitelt, die sich bestimmt gerne von Muslimen begatten lassen würden.
Dass sich in den falschen Händen beinahe alles als Waffe verwenden lässt, ist keine Offenbarung – «Le Vénérable W.» zeigt schonungslos auf, dass dieser Grundsatz auch vor dem Buddhismus nicht Halt macht.