Als das Filmfestival in Locarno vor 70 Jahren die erste Ausgabe feierte, übergab die Festivalleitung dem Gewinner des besten Films keinen goldenen Leoparden – sondern ein goldenes Segel, in Anlehnung an den Lago Maggiore.
In bester Gesellschaft
Der Leopard kam als Trophäe das erste Mal 1968 auf die Bühne der Piazza Grande. Federico Jolli war damals als Radiojournalist mit dabei. Locarno habe sich bei diesem Schritt inspirieren lassen von anderen grossen Filmfestivals, erinnert er sich: «Venedig hatte den Löwen, Berlin hatte den Bären. Locarno wollte ebenfalls ein nobles Tier haben.»
Auf die Idee des Leoparden sei man durch ein Relief am Rathaus der Stadt gekommen. Dort sei neben dem Wappenzeichen von Locarno – dem Löwen – mit ein bisschen Fantasie auch ein Leopard zu erkennen.
Zur eigentlichen Marke ist der Leopard aber erst später geworden. Eine Schlüsselrolle dabei spielte der ehemalige Festivaldirektor David Streiff. Als er in den 1980er-Jahren die Leitung übernahm, hat er sich zuallererst bemüht, dem Festival einen neuen, eigenständigen Auftritt zu verschaffen.
Ein Glücksfall
Locarno bekam das schwarz-gelbe Gewand und wurde zur Stadt des Leoparden. Ein Glücksfall, findet Federico Jolli, der nach seiner Arbeit als Radiojournalist in den Verwaltungsrat des Filmfestivals wechselte.
Der Leopard sei der rote Faden des Festivals geworden: «Er hat Zeiten des Hochs und auch der Krisen überstanden: ein sehr lebendiges Tier.»
Zum Gackern
Ein Tier, das in Form des Hauptpreises in Locarno bei den Filmemachern und Filmemacherinnen bis heute für lebendige Diskussionen sorgt. Legendär ist etwa die Reaktion von US-Regisseur Michael Cimino, als er vor zwei Jahren einen Ehren-Leoparden entgegennahm und fragte, ob das ein Huhn sei.
Oder der britische Filmemacher Mike Leigh , der 1971 einen der ersten goldenen Leoparden mit nach Hause tragen konnte. Jahre später betonte er, wie sich dieser Preis von anderen unterscheide: «Die Palme d’Or von Cannes ist winzig, auch der goldene Löwe von Venedig, die sind alle kleiner. Der Leopard ist der grösste – und er ist schwer!» Deshalb habe er für viele Jahre als Türstopper gedient und dafür gesorgt, dass seine Haustüre offen blieb.
Ein Bild, das im übertragenen Sinn irgendwie passt: Für das Filmfestival in Locarno hat der Leopard auch Türen geöffnet. Er ist ein idealer Werbebotschafter über die Landesgrenzen hinaus.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 11.08.2017, 08:20 Uhr