Die 72. Ausgabe des Locarno Festivals ist die erste unter der künstlerischen Leitung von Lili Hinstin. Nach dem Wechsel von Carlo Chatrian an die Berlinale übernahm – für viele überraschend – die französische Kulturmanagerin. Wie ihr Vorgänger gilt Hinstin als cinephil. Zuvor hatte sie das Festival von Belfort geleitet, das wie Locarno der Retrospektive eine grosse Bedeutung beimisst.
Ein Blick ins Programm der diesjährigen Ausgabe offenbart keinen radikalen Kurswechsel. Die grössten Unterschiede sind im Piazza-Programm auszumachen: Das ist weniger zugänglich als zuletzt unter Chatrian. Das heisst: Die 8'000 Zuschauer bekommen mehr Arthouse und weniger Blockbuster zu sehen. Der einzige grosse Hollywood-Streifen auf der Piazza ist «Once upon a Time… in Hollywood».
Wer geht über den roten Teppich?
Auch wenn sein Film auf der Piazza gezeigt wird: Quentin Tarantino wird wohl nicht in Locarno auftauchen. Aber es werden andere Hollywood-Grössen erwartet: Hillary Swank wird mit dem «Leopard Club Award» ausgezeichnet, der vom Gönnerverein des Festivals vergeben wird.
Die Amerikanerin ist doppelt oscarprämiert: Sowohl für «Boys Don't Cry» als auch für «Million Dollar Baby» wurde sie als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet. Beide Filme sind in Locarno zu sehen.
Die Stars in Locarno
200 junge Kreative in der Kaserne
Lili Hinstin betont die Wichtigkeit der Jugendförderung. Diese hat sich Locarno schon seit Langem auf die Fahnen geschrieben: Das Ausbildungsprogramm «Locarno Academy», das junge Filmemacherinnen, Kritiker und Branchenvertreterinnen fördert, feiert heuer sein 10-jähriges Bestehen.
Neu gibt es das «Base Camp»: 200 junge Kreative werden für 10 Tage in der ehemaligen Militärkaserne in Losone untergebracht. Die 18- bis 30-Jährigen dürfen das Festival besuchen, nehmen an Workshops teil – und sollen eigene Arbeiten präsentieren.
Das Projekt wird als weitgehend ergebnisoffenes Ideen-Labor angekündigt, das nun für die kommenden Jahre geformt werden soll.
Die wichtigsten Filme
Aus 4000 Filmen aus der ganzen Welt haben Lili Hinstin und ihr Team 120 Werke ausgesucht, die in Locarno gezeigt werden. 17 Filme gehen im internationalen Wettbewerb ins Rennen um den goldenen Leoparden.
Für das Publikum steht eher das Programm auf der Piazza Grande im Mittelpunkt. Hier verspricht das Programm etwas mehr schwerere Kost als in den Vorjahren. Lustig wird es erst nach Mitternacht: Dann laufen in der Reihe «Crazy Midnight» eigenwillige Komödien und Actionfilme.
Die wichtigsten Filme
Das Schweizer Filmschaffen in Locarno
«Es sollen qualitative Kriterien zählen, keine diplomatischen», sagte Lili Hinstin bei der Vorstellung des Festivalprogramms. Gemeint ist damit: Es gibt keine Sonderbehandlung für Schweizer Filme. Anders als in den Vorjahren ist beispielswiese im Piazza-Hauptprogramm kein einziger Schweizer Langfilm zu sehen.
Aber natürlich sind in Locarno doch einige Schweizer Filme zu sehen. Mit «O Fim do Mundo» des Schweiz-Portugiesen Basil da Cunha hat es gar eine Schweizer Produktion in den Wettbewerb geschafft.
Die grösste Ehrung für den Schweizer Film gibt es aber am 16.8.: dann wird der «Pardo alla Carriera» an Fredi M. Murer verliehen. Den Schweizer Filmemacher verbindet eine lange Geschichte mit Locarno: Bereits 1967 zeigte er in hier den Film «Chicorée». Seither war er immer wieder in Locarno – 1990 zum Beispiel, als er in der ersten Ausgabe der «Semaine de la critique» den Film «Der grüne Berg» zeigte. Seinen bislang grössten Auftritt hatte er aber sicherlich 1985, als «Höhenfeuer» mit dem goldenen Leoparden ausgezeichnet wurde.
Anlässlich der Auszeichnung für sein Lebenswerk werden vier von Murers Filmen in neu restaurierten Fassungen in Locarno gezeigt. Darunter selbstverständlich auch «Höhenfeuer».
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