Wenn man die letzten Bilder dieser Stilübung in surrealem Horror wörtlich nimmt, dann handelt es sich bei «L’étrange couleur des larmes de ton corps», der seltsamen Farbe der Tränen deines Körpers, ganz banal um das Menstruationsblut der älteren Schwester eines traumatisierten Jungen.
Und das ist auch das grösste Problem des Films: Nimmt man ihn zum Nennwert, bleibt nicht viel von ihm übrig. Hélène Cattet und Bruno Forzani erweisen sich einmal mehr als stilsichere Apologeten des klassischen Giallo (s. Kasten). Sie beherrschen die die verschiedenen Elemente des surrealen Horrors wie die Innenarchitektur, Wahrnehmungsverschiebungen, blutige Momente und eine ätherische Tonspur.
Blutige Wunden
Aber sie bauen ein sehr dünnes Gerüst auf, um ihre Bilder wie Spinnweben darüber zu spannen: Ein Mann kehrt von einer Geschäftsreise zurück in ein grossartiges Art-Déco-Haus in Brüssel, und findet seine Frau nicht mehr in der Wohnung – obwohl die Sicherheitskette an der Tür vorgelegt war. Die Tonspur und Bilder eines Frauenkörpers und eines Messers haben uns schon darauf eingestimmt, dass mit der Frau allenfalls etwas Schreckliches passiert sein könnte. Aber nun vermischen die Filmemacher diverse Einflüsse zu einem Kaleidoskop optischer und akustischer Eindrücke. Immer wieder werden blutige Wunden geschlagen, fahren Messer in Körper oder Glasscherben unter die Haut. Der Mann wird nicht nur zum Doppel-, sondern gleich zum Trippelgänger und verletzt sich selber gegenseitig.
Das alles ist stilistisch eindrücklich und opulent, zitiert die italienischen Einflüsse der 70-Jahre nicht nur über die Musikspur, und David Lynch nicht nur über Motive. Aber die Lyncherei und die Giallerei führen in eine grosse Leere; die eindrücklichen Bilder und die wunderbare Inszenierung der Jugendstil-Architektur drehen sich um sich selber und wirken zunehmend ermüdend.
Ritual statt Erzählung
Der Film hat mich an die prätentiöse Leere von Nicolas Winding Refns «Only God Forgives» erinnert. Bei beiden Filmen ist eine Generation von Filmemachern am Werk, welche ihre Vorbilder perfekt verinnerlicht hat, und den Stil zum Selbstzweck macht. Solche Filme haben den Charakter eines perversen Gottesdienstes für Gläubige, sind inhaltslose Versicherung einer Passion, eher Ritual als Erzählung.
Das kann, wie auch Refn beweist, ganz eindrücklich sein. Aber für Aussenstehende und Ungläubige ist das vor allem langweilig.