«Die Väter haben uns kaputt gemacht, ihre Söhne machen uns nun fertig», sagt der alte Yoan in einer Szene dieses Films.
Zurück an den Ort der Gefangenschaft
Die ambulante Altenpflegerin Gana hat ihn in den Steinbruch gefahren, in dem er jahrelang Gefangener war. Mitten im Geröll erinnert eine Gedenktafel an die Opfer des Kommunismus.
Dreissig Jahre nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes in Bulgarien sei noch immer keine Besserung in Sicht, sagt die bulgarische Regisseurin Ralitza Petrova.
Das Leben in dem Land sei für die meisten Menschen hart, Korruption allgegenwärtig und Hoffnung gebe es allenfalls dann, wenn alles verloren sei.
Morddrohungen und Korruption
Das gilt auf jeden Fall für Gana, die zentrale Figur dieses Films. Sie arbeitet als Altenpflegerin für einen Spitex-ähnlichen staatlichen Sozialdienst.
Ihre Arbeit verrichtet sie mechanisch, wortkarg. Den zum Teil schon dementen alten Menschen stiehlt sie die Identitätskarten, die ihr Freund dann für Identitätsbetrug und Geldwäsche verkauft.
Einer alten Frau, die sich beklagt und die Polizei rufen will, droht sie unverhohlen mit einer Spritze und schickt dann ihren Freund vorbei, um sie einzuschüchtern. Ein paar Stunden später ist die Alte tot.
Abgründe der Unmenschlichkeit
Erst als Gana auf Yoan stösst, der einen Amateur-Chor leitet, entwickelt sie, viel zu spät für sich und für ihn, ein Gewissen.
Bei Filmen, welche einen so sehr in die Abgründe der Unmenschlichkeit führen, ist es oft nicht mehr so klar, was einen nun wirklich beeindruckt und mitnimmt. Ist es die geschilderte Situation oder auch die Art, wie der Film sie schildert?
Laien spielen nah an ihrer Realität
Ralitza Petrovas Godless ist auf beiden Ebenen wirkungsvoll. Da ist der kalte Realismus, zu guten Teilen mit Laienschauspielern gedreht, die nahe an ihrer eigenen Lebenssituation spielen.
Da sind die paar wenigen, aber gut gesetzten Schlüsselmomente. Etwa, wenn Gana nach einer Chorprobe den alten Yoan fragt, was es brauche, um so singen zu können.
«Den Glauben», antwortet er. Worauf sie etwas erstaunt fragt, ob er denn gläubig sei. Ja, ist die Antwort. Allerdings glaube er an sich selber, nicht an Gott.
Anprangerung der Korruption in Bulgarien
Gedreht wurde diese dänisch-französisch-bulgarische Koproduktion in der bulgarischen Provinz Vratsa. Die verschneite, zwischen Bergen eingeklemmte und von trostlosen Zweckbauten übersäte Gegend wirkt mindestens so deprimierend wie die Rohheit des menschlichen Umgangs.
Darüber hinaus geht der Film aber einen deutlichen Schritt weiter, denn die systematische Korruption, die er schildert, die sitzt im System, bei der Polizei, beim Richter. Und was diese Aussage im Land selber bedeutet, wie viel Mut sie allenfalls erfordert, das ist vom Kinosessel aus nicht abzuschätzen.