«Ich fühle mich wie im Film ‹Und täglich grüsst das Murmeltier› – es ist jedes Jahr das Gleiche», sagt ein Peoplejournalist. Die «Gala Reception» des Leopard Clubs, Gönnerverein des Filmfestivals, zählt zum jährlichen Pflichtprogramm für die Boulevardpresse. Nirgendwo sonst ist während des Festivals die Promi-Dichte so hoch wie hier: im Eden Roc in Ascona, bestes Hotel am Platz, Marmorböden, Plüschsofas, privater Seeanstoss.
Erst die Fotografen, dann der Champagner
Es ist eine Kulisse wie aus dem Hollywoodfilm, eine Kulisse für Faye Dunaway und Sir Christopher Lee. Und auch für Carla del Ponte, Bundesrat Alain Berset oder Ex-UBS-Manager Oswald Grübel. Sie alle stehen dieses Jahr auf der Gästeliste. Und sie alle werden über eine enge Terrasse geschleust, vorbei an einem Tross von Fotografen, vorbei an den Journalisten, vorbei an Fragen wie: «What do you like best about Switzerland?»
An diesem Gang führt kein Weg vorbei. Da helfen weder Geld noch Berühmtheit – wenn, dann höchstens Adel oder Alter: Sir Christopher Lee jedenfalls, 91-jährig, bleibt die Prozedur erspart.
Immerhin: Der Spuk ist von kurzer Dauer, schon sind Kellner zur Stelle, halten kühlen Champagner bereit und die erlösenden Worte: Bitte, hier lang. Und hinein geht’s ins Restaurant des Eden Roc, die Presse hinter und ein lockerer Abend vor sich, Members only.
Ein Club, der die Qualität sichern soll
Hinter diesem Rummel stehen hehre Absichten: Der Leopard Club wurde vor fünf Jahren gegründet, um das Filmfestival finanziell zu unterstützen. «Heute ist alles teurer und komplizierter geworden», sagt Rolando Benedick, Initiator und Präsident des Leopard Clubs. «Nach Cannes, Venedig und Berlin sind wir die Nummer vier der Filmfestivals in Europa. Unser Ziel ist es, dass das so bleibt.»
«Wir», das sagt Benedick immer wieder. Er, der heute das Unternehmen Valora leitet, ist mit dem Filmfestival seit langem verbündet. Als junger Mann Mitte 20 kam er ins Tessin und ist dem Charme des Piazza-Kinos erlegen. Seither ist das Filmfestival sein Fixpunkt im Sommer. Dafür zieht sich der Top-Manager auch mal eine Pelerine über, wenn es auf der Piazza giesst wie aus Kübeln. So wie letzten Donnerstag bei «Vijay and I».
Pleite vor 30 Jahren
Bereits früher hat Rolando Benedick dem Festival unter die Arme gegriffen: «Vor gut 30 Jahren war das Festival pleite», sagt er. Die Piazza sei abends praktisch leer gewesen, vielleicht 300 Leute seien gekommen. «Damals war eine Mannschaft am Drücker, die nur ihre Ideen verwirklicht hat – und das funktionierte nicht. Mit extremen Filmen kann man kein Publikum erreichen.» Der Präsident wurde ausgewechselt, und Benedick half mit zwei Freunden, die Festival-Finanzen wieder ins Lot zu bringen.
Vor fünf Jahren kam erneut die Bitte, Geld für das Festival aufzutreiben – diesmal von Festivaldirektor Marco Solari: Nicht, weil eine weitere Pleite bevorstand. Aber man wollte Politik und Wirtschaft signalisieren, dass das Festival wichtig ist für die Schweizer Filmszene. Es war der Anfang des Leopard Clubs.
Die Infrastruktur ist ebenso wichtig wie Glamour-Faktor
Heute zählt der Club über 50 Mitglieder. Mit 5000 Franken jährlich ist man dabei, viele legen nochmals zünftig drauf. Als Gegenleistung gibt’s Festivalpässe, VIP-Sitze – und eben, eine Einladung zur «Gala Reception» im Eden Roc.
Die Gelder des Clubs fliessen einerseits direkt in die Reserven des Festivals, jährlich rund eine halbe Million. Andererseits finanziert der Club Teile der Infrastruktur: Den roten Teppich für die Stars, eine neue Soundanlage für die Piazza. «Und wichtig», Benedick hebt den rechten Zeigefinger, «es soll mit dem Club auch ein wenig Glamour ans Filmfestival gebracht werden. Wir helfen, diese Stars zu bezahlen und nach Locarno zu holen.»
Zuviel Rummel für Mrs Dunaway
Die Stars haben mittlerweile Platz genommen im Hotel Eden Roc. Alle, bis auf eine. Die Vorspeise ist noch nicht einmal serviert, verlässt Faye Dunaway den Saal durch eine Seitentüre. Fünf Sterne, Marmorböden, Seeanstoss – das alles ist ihr momentan egal. «I don’t like parties», sagt sie und lässt sich erschöpft in einen Sessel sinken. «I already had too much.» Nicht nur für Peoplejournalisten ist der Anlass Pflicht: Das Murmeltier, es scheint auch manche Stars täglich zu grüssen.