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Eine Frau und ein Mann halten eine Stock zwischen sich, sie scheinen miteinander zu kämpfen
Legende: Eine Schauspielübung wird zum erotischen Pas-de-deux: Yuki Mamiya und Tasuku Nagaoka in «Wet Woman in the Wind». Festival del Film Locarno

Filmfestival Locarno Japanische Porno-Parodie in Locarno: Ein erotischer Zweikampf

Eine schöne Frau macht einem Mann unmissverständliche Avancen. Doch der hat den Frauen und dem Sex entsagt. Zwischen den beiden entbrennt ein erotischer Zweikampf. Der japanische Wettbewerbsbeitrag «Wet Woman in the Wind» ist ein überraschend erotischer Film mit viel Witz.

Kosuke, ein Dramatiker, hat sich aus Tokio in eine Waldhütte zurückgezogen, um seine Kreativität wieder zu finden. Als er eines Nachmittags mit seinem Handkarren unterwegs ist, rast neben ihm eine attraktive junge Frau mit dem Fahrrad in den See, steigt aus dem Wasser und zieht ungerührt ihr nasses Oberteil aus.

Eindeutige Avancen

Kurz darauf macht sie ihm offen Avancen, erklärt, sie suche ein Quartier für die Nacht. Kosuke weist sie brüsk zurück, aber Shiori lässt nicht locker, verfolgt ihn bis zur Hütte. Als Kosuke erklärt, er habe den Frauen und dem Sex abgeschworen, greift sie ihm in die Hose und meint, er könne lügen so viel er wolle, sein Schwanz sei offensichtlich anderer Meinung.

Kosuke beschimpft sie als Hündin, wirft ihr ein Stück Brot hin und jagt sie weg. Für Shiori ist das eine erotische Kriegserklärung.

Sie beginnt Kosuke herauszufordern, verführt reihenweise die Männer um ihn herum und facht mit gezielter Provokation und Verweigerung seine Begierde an. Ein erotischer Zweikampf der Anziehung und der Abstossung setzt ein, häufig komisch, oft rücksichtslos, aber zunehmend erotisch und faszinierend.

Frisch ab Leinwand

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SRF-Filmkritiker Michael Sennhauser schaut sich am Filmfestival Locarno Filme an und schreibt über seine ersten unmittelbaren Eindrücke.

Mehr Filmbesprechungen unter sennhausersfilmblog.ch.

Parodie auf japanische Soft-Pornos der 70er

Akihiko Shiotas Film ist eine Neuinterpretation des klassischen japanischen Softporno-Genres, dem «Roman Porno», den in den 1970er-Jahren vor allem die wieder auferstandene älteste japanische Produktionsfirma Nikkatsu auf den Markt brachte.

Diese «romantic pornography» bildete zusammen mit den etwas gewalttätigeren «pinku eiga», den «pink films», ein kommerzielles Subgenre im Kampf gegen das Fernsehen.

Und ähnlich wie in den USA die B-Pictures und die Billigst-Produktionen von Roger Corman wurden diese Filme zu einem Tummelplatz für fantasievolle Jungfilmer. So lang wenigstens alle zehn Minuten ein blanker Busen oder ein Hintern zu sehen waren, durften die Filmemacher erzählen, was sie wollten.

Gekonntes Spiel mit der Provokation

Shiota, ein erfahrener Drehbuchautor und erfolgreicher Regisseur, ist ein Kenner dieser Filme und ihres historischen Hintergrunds. Und so lernt man, wie so oft bei parodistischen Werken, in «Wet Woman in the Wind» überraschend viel über Dramaturgie und Stil jenes Genres.

Eine nackte Frau und ein nackter Mann umarmen sich.
Legende: Bei den «Roman Pornos» war nackte Haut Pflicht. Zu sehen ist sie auch in «Wet Woman in the Wind». Festival del Film Locarno

Da ist einerseits der simple Topos der unersättlichen Frau und des sich verweigernden Mannes, eine Säule auch im westlichen Porno- und Softpornogenre.

Dann die Steigerung der sexuellen Provokation vom ersten Zeigen nackter Haut bis zu offener Provokation, freiwilligem oder erzwungenem Akt, absurden Wendungen und schliesslich Überhöhungen.

All dies spielt Shiota über sein Drehbuch mit sicherem Gespür für Rhythmus und Tempo durch. Die Erzählung des erotischen Zweikampfs zwischen Kosuke und Shiori ist viel mehr als die lose verbundene Nummernrevue des Ursprungsgenres.

Akihiko Shiota feiert die Fantasie und die Begabung all jener Roman Porno Filmemacher, welche die kommerzielle Nische seinerzeit nutzten, um kleine dramatische Kunstwerke zu schaffen.

Ein Plädoyer für die Grenzüberschreitung

«Wet Woman in the Wind» mag eine Parodie sein, noch mehr aber ist das eine Hommage, ein leidenschaftliches, vielleicht auch etwas romantisierendes Plädoyer für die unverklemmte Grenzüberschreitung.

Der Film hat ein verblüffend raffiniertes progressives Tempo und einen scharfen, fast schon proto-feministischen Witz, der ein wenig an jene Filme erinnert, welche der Amerikaner Russ Meyer in den 1960er- und 1970er-Jahren drehte.

Vor allem aber ist «Wet Woman in the Wind» ein überraschend erotischer Film, mit einem Witz, der sich gewaschen hat.

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