Herr Herzog, was lesen Sie zurzeit?
«Verschiedene Sachen. Ich lese oft mehrere Dinge gleichzeitig. Ich bin ja gar kein Kinogeher und sehe nur etwa drei Filme pro Jahr. Momentan lese ich ‹The Peregrine› von einem Engländer, J.A. Baker, von dem man gar nichts weiss. Es geht um die Beobachtung von Wanderfalken.
Das ist absolut unglaublich, mit einer Sprache, wie man sie seit Joseph Conrad nicht mehr gelesen hat. Seine Beobachtungen sind von solcher Intensität, wie es eigentlich gut wäre für Leute, die Filme machen. Darum gebe ich den Leuten bei mir in der Filmschule immer eine verpflichtende Leseliste mit. Da ist jetzt auch ‹The Peregrine› drauf.
Zudem lese ich im Moment einen total obskuren Autoren, Diodorus Siculus aus der Antike, weil der genauer als alle anderen über den Vater von Alexander dem Grossen schreibt – Philipp II von Makedonien. Das sind total unglaubliche Soap Operas, die er da beschreibt. Von dieser Seite hat mich das interessiert – der Autor selber ist ein ziemliches Schaf, ein Enzyklopädist ohne Philia, aber trotzdem wunderbar zu lesen.»
Lesen ist also wichtig, um gute Filme zu machen. Wichtiger noch, als Filme zu schauen. Wir haben Werner Herzog deshalb gefragt, ob man als Filmemacher nicht die Filmgeschichte als Inspiration braucht:
«Natürlich ist es gut, man macht sich mit der Filmgeschichte vertraut. Aber ich sage immer: lest, lest, lest, lest - sonst werdet ihr nie einen wirklich guten Film machen. Und das müssen um Gotteswillen keine Bücher übers Filmemachen sein.
Ich empfehle zum Beispiel Vergils ‹Georgica› über das Landleben und den Ackerbau. Oder alte isländische Dichtung aus dem 11. Jahrhundert. Oder den Warren Commission Report über die Ermordung Kennedys.»