Graf Dracula und Giacomo Casanova im gleichen Film? Das klingt zunächst eher nach einem Spekulationsprodukt wie «Alien vs. Predator». Aber Albert Serra hat schliesslich Literaturtheorie und vergleichende Literaturwissenschaft studiert und seine Reputation als Filmemacher steht auch ausser Zweifel. Wo also führt er uns dieses Mal hin?
Casanova in den Karpaten
Tatsächlich in die Karpaten, bis knapp in die Nähe des Schlosses von Graf Dracula, somit nicht ganz nach Transsylvanien, aber doch immerhin beinahe. Und unterwegs sind wir mit Giacomo Casanova auf einer seiner vielen Reisen – man muss annehmen, seiner letzten.
Der Titel verspricht ja «die Geschichte meines Todes», und irgendwie kommt es dann auch dazu. Davor aber stehen 148 Minuten exquisiter Bilder und geschätzte 140 Minuten reiner Rede. Casanova und ein Sidekick, die Damen, die künftigen Bräute Draculas und schliesslich dieser selbst: Sie alle reden. Die meisten sind auch sehr belesen und zwischen Voltaire und Religionskritik hat das ganze über die Aufklärung hinausschiessende Abendland Platz.
Aufklärung und Aberglaube
Die reine Idee, die Aufklärung und den Aberglauben zusammen zu bringen, ist pures Gold. Und Giacomo Casanova hat auch einen seiner vielen Lachanfälle im Film, als er dem Alchemistentraum, Scheisse in Gold zu verwandeln, einmal sehr nahe kommt (wie er behauptet).
«Historia de la meva mort» ist ein Konversationsfilm in der Tradition zwischen Ettore Scola und Alain Resnais, mit einer souveränen Ruhe gedreht und inszeniert, ausgeleuchtet und geschnitten und immer wieder durchblitzt von kleinen Pop-Referenzen. Wenn Dracula am Ende genüsslich ein Glas Wein austrinkt, ist das ebenso witzig wie seine helmartige Frisur, die er Francis Ford Coppolas Version von «Bram Stoker’s Dracula» verdankt – in Kombination mit einem Vollbart, der auch Bud Spencer gut gestanden hätte.
Souveräne Abgeklärtheit
Dieser Film trägt seine Belesenheit im Übrigen nicht vor sich her wie einen Rammbock, sondern in aller Selbstverständlichkeit, wie Unterwäsche. Das ist ungewohnt im Kino, ebenso ungewohnt wie die Ruhe, die der Film ausstrahlt – und die souveräne Abgeklärtheit, mit der seine zentrale Figur Casanova sich immer wieder für Details seiner Umgebung interessiert, obwohl er den Eindruck vermittelt, dass ihn nichts mehr wirklich zu erschüttern vermag. Was sich dann auch bewahrheitet, in der Stunde, da Dracula kommt.