Böse, sehr böse ist dieser Film von George Clooney, der in Venedig im internationalen Wettbewerb läuft. Bitterböse geht er mit weissen, erwachsenen Amerikanerinnen und Amerikanern ins Gericht. Der richtige Film zur rechten Zeit, wenn man sich an die Bilder aus Charlottesville erinnert.
«Suburbicon» basiert auf einem Drehbuch von 1980 von Ethan und Joel Coen, das nie verfilmt wurde. George Clooney und sein Partner Grant Heslow ihrerseits stiessen auf eine wahre Begebenheit aus einem dieser Vororte und wollten daraus einen Film machen. Sie fragten die Coens für eine Zusammenarbeit an.
Demontage der Vorstadtidylle
Daraus entstand eine interessante Doppelgeschichte, die im Jahr 1959 in einer dieser adretten amerikanischen Vorstädte spielt, die für den guten Mittelstand überall aus dem Boden schiessen.
Eigentlich müsste man hier aufhören zu erzählen. Je weniger man als Zuschauerin weiss, desto besser funktioniert dieser Film. Er demontiert Stück für Stück die Vorstadtidylle und wird zu einem kruden, schrägen, satirischen Film noir, der viele Lacher provoziert. So mancher Lacher bleibt aber im Hals stecken.
Zwei ganz abnormale Familien
Soviel dennoch zum Inhalt: In Suburbicon, einer Protovorstadt mit lauter gleichen Häuschen, die in lauter gleiche Gärtchen gebaut sind, passieren zwei ungeheure Dinge. Zum einen ziehen die Meyers ein und lösen grosses Entsetzen aus: Die Meyers sind Farbige.
Die andere Ungeheuerlichkeit passiert der Familie, die im Mittelpunkt dieses tiefschwarzen Krimis steht. Die Lodges sind eine adrette Mittelstandsfamilie: Vater Gardner (Matt Damon), der etwa 10-jährige Sohn Nicky (Noah Jupe), Mutter Rose (Julianne Moore), die im Rollstuhl sitzt, und Tante Maggie (ebenfalls Julianne Moore).
Eines Nachts brechen zwei Männer ein – versammeln die Familie am Küchentisch und das Unheil nimmt seinen Lauf.
Das Grauen vor und hinter der Haustür
Es gab schon viele Filme und Serien (zum Beispiel «Desperate Housewives»), die von netten Vorstädten und den Abgründen dahinter handeln.
Die Geschichte der Lodges ist noch eine Spur drastischer, verdrehter, schwärzer. Raffiniert an diesem Film ist die Doppelung mit dem Schicksal der Myers nebenan.
Während bei den Lodges Ungeheuerliches verborgen hinter ihren vier Wänden passiert, geschieht das wirklich Grauenhafte nebenan, ausserhalb des Meyer-Hauses, in aller Öffentlichkeit.
Dieser Twist lässt ihn über andere Filme desselben Genres herausragen.
Die grossen Namen halten, was sie versprechen
Über die ganze Geschichte legt Alexandre Desplat zwar ein etwas überbordendes Score, wie es im amerikanischen Kino üblich ist. Aber der Film ist toll, weil er diesen Sog entwickelt, den man von den Coen-Filmen kennt.
Clooney, der schon länger immer wieder als Regisseur arbeitet (zuletzt 2014 «Monuments Men»), hat gute Arbeit geleistet. «Suburbicon» hat sich seinen Platz im internationalen Wettbewerb verdient.
Matt Damon, der in Venedig schon im Eröffnungsfilm «Downsizing» zu sehen war, ist richtig genial in der Rolle des Gardner Lodge, des biederen Finanzspezialisten mit tiefen Abgründen. Ihm gegenüber Julianne Moore, ihr merkt man an, dass sie ihre Rolle(n) mit Genuss spielt.
Die grossen Namen im Wettbewerb von Venedig dieses Jahr, bis jetzt halten sie, was sie versprochen haben.
Kinostart: 09.11.2017