Ein Vater, der mit seinen Söhnen Freunde und Bekannte entführt. Ein Mann, der sich in den 1930er-Jahren einer Geschlechtsumwandlung unterziehen will. Ein israelischer Politiker, der den Frieden mit den Palästinensern mit dem Tod bezahlte. Alles wahre Geschichten, und alle kämpfen sie an den 72. Filmfestspielen um den Goldenen Löwen.
Zwischen Schockstarre und Rührung
Auffallend brutal unter den Wettbewerbsfilmen: «Beasts of No Nations», eine Geschichte über Kindersoldaten in Afrika. Für den Zuschauer gibt es keine Chance auf Entspannung: brutale Exekutionen, Kinder, die mit Macheten Köpfe spalten. Die Szenen erinnern an Nachrichtenbilder, weshalb der Film authentisch und bedrückend wirkt.
Ganz anders die französische Komödie «Marguerite». Der Film spielt in den 1920er-Jahren und ist inspiriert vom Leben der Florence Foster. Regisseur Xavier Giannoli erzählt die Geschichte der ehrgeizigen, aber leider völlig talentlosen Opernsängerin witzig und berührend.
Keine leichte Aufgabe
Als Favorit unter den Kritikern in Venedig gilt Aleksandr Sokurovs «Francofonia», in dem es um die Rettung des Louvre während des Zweiten Weltkriegs geht. Ein weiterer Gewinnertipp unter den Kritikern ist der Animationsfilm «Anomalisa» von Charlie Kaufman.
Wer bei der Verleihung der Goldenen Löwen gewinnen wird, entscheidet eine hochkarätig besetzte Jury unter Vorsitz des Mexikaners Alfonso Cuarón. Die seit längerem in Hollywood arbeitende deutsche Schauspielerin Diane Kruger, der türkische Meisterregisseur Nuri Bilge Ceylan, Polens jüngster Oscar-Preisträger Pawel Pawlikowski, die US-amerikanische Schauspielerin Elizabeth Banks, der französische Drehbuchautor Emmanuel Carrère, der taiwanische Regisseur und Cannes-Gewinner Hou Hsiao-Hsien, der italienische Regisseur Francesco Munzi und die britische Filmregisseurin Lynne Ramsay stehen Cuarón (selbst in Venedig schon ausgezeichnet für den Science Fiction «Gravity») zur Seite.