Ein gebrochenes Genick, fünf ausgerenkte Halswirbel und noch fünfzehn Minuten Spielzeit. In dieser Situation befand sich Bert Trautmann am 5. Mai 1956. Er stand für Manchester City im Tor. Die Fussballmannschaft spielte gegen Birmingham, als Trautmann sich beim Zusammenprall mit einem Stürmer die schwere Verletzung zuzog.
Seine Reaktion? Weiterspielen, Bälle halten, Schmerz aushalten. Mehrmals der Bewusstlosigkeit nahe, rettete Trautmann seinem Team den Sieg. Später werden ihm die Ärzte sagen, dass eine falsche Bewegung ihn hätte umbringen können.
Erst gefangen, dann gefeiert
Doch das ist nur ein kleiner Teil von Bert Trautmanns unglaublicher Geschichte, die nun im Kino als Spielfilm zu sehen ist. Als Mitglied der Hitlerjugend wechselt der damals 17-jährige Trautmann freiwillig zur deutschen Luftwaffe. Mit 21 überlebt er als einer von wenigen die alliierte Bombardierung auf Kleve, einem Ort an der deutsch-niederländischen Grenze. Daraufhin desertierte Trautmann, bis ihn im März 1945 alliierte Soldaten gefangennehmen.
Er kam ins Gefangenenlager, das gegen Ende des Zweiten Weltkrieges geschlossen wurde. Doch Trautmann wollte nicht mehr zurück nach Deutschland. Er blieb in England, arbeitete auf einem Bauernhof und spielte in einem Provinzclub.
Als sein fussballerisches Talent entdeckt wird, kickt sich Trautmann bis in die Mannschaft von Manchester City, wo er zunächst auf grosse Ablehnung stösst: Engländer beschimpfen ihn als Nazi, Juden wehren sich gegen die Anstellung des Deutschen, Fans retournieren ihre Saisonkarten.
Die Hand am Nacken
Doch Trautmann bewahrt einen kühlen Kopf und tut, was er am besten kann: Bälle halten. Der Abneigung tritt er mit Verständnis entgegen. Seine Vergangenheit leugnete der Deutsche nie, er kämpfte selbst mit ihr. «Ich bin kein Monster», sagt er im Film. Im echten Leben wird er vom Mannschaftskapitän in Schutz genommen: «Es gibt keinen Krieg in dieser Kabine.»
An der Spitze seiner Karriere angelangt, ist er nach dem Spiel mit dem gebrochenen Genick im FA-Cup-Final. Trautmann wird daraufhin als erster Ausländer in England zum Fussballer des Jahres gekürt und nimmt die Auszeichnung mit einer Halskrause entgegen.
In seinem ersten englischsprachigen Spielfilm porträtiert der deutsche Regisseur und Drehbuchautor Marcus H. Rosenmüller nun diese Torwartlegende. Sie wird gespielt von David Kross («Der Vorleser»), der Trautmann mit selbstbewusster Zurückhaltung gibt, ohne je die seelische Erschütterung zu vernachlässigen, die die Figur in sich trägt.
Der Mensch in «dem Deutschen»
Rosenmüller räumt im Biopic Trautmanns Ehe- und Familiengeschichte ebenso viel Platz ein wie seiner Fussballkarriere. Zwar erlebt Trautmann im Privatleben ebenfalls Höhen und Tiefen, die zu seiner Erzählung gehören, doch sie sind der Grund, warum der Film zuweilen in Pathos abdriftet.
«Ich hätte lieber mit dir getanzt als auf dem Schlachtfeld zu stehen», sagt denn auch ein junger, verliebter Trautmann im Film. Seine zukünftige Frau (Freya Mavor), die Tochter des Coaches, steht Trautmann anfangs noch mehr als nur skeptisch gegenüber.
Das bekommt ihr Vater zu spüren: «Hier geht's nicht um Fussball, Vater. Er ist ein verfluchter Nazi!» Später verliebt sie sich und kämpft dafür, dass die Leute den Menschen in «dem Deutschen» sehen.
Nüchterner erzählt hätte die Geschichte wohl die grössere Wucht gehabt. Doch Rosenheim entschied sich dafür, eine aussergewöhnliche Geschichte konventionell fürs Kino zu verfilmen: mit reichlich Streichern und Bläsern, leidenschaftlichen Küssen und teils klischierten Dialogen.
Furchtlos zum Sieg
Aber der Film hat das Herz am richtigen Fleck und vermag deshalb zu unterhalten und zu berühren. Und eins muss man ihm lassen: gutes Timing.
Während die diesjährige Fussball-Weltmeisterschaft etliche Bilder von einem zusammenzuckenden Neymar hervorbrachte, der sich vor simulierten Schmerzen krümmt, ist es herrlich anzusehen, wie Trautmann furchtlos aus dem Tor stürmt oder zum Torpfosten fliegt und seine Mannschaft mit gebrochenem Genick zum Pokalsieg verhilft.
Vor fünf Jahren ist Bert Trautmann im Alter von 89 Jahren gestorben. Der Film hält die Geschichte der Torwartlegende am Leben.