Ein junger Mann sitzt vor einer weissen Leinwand. Wir sehen ihn von hinten. Ab und zu dreht er sich auf seinem Stuhl etwas nach links und nach rechts. Der Kopf des Malers ist so leer wie die Leinwand, auf die er starrt. Der Maler in «Werk ohne Autor» heisst Kurt Barnert (Tom Schilling) und ist dicht an den weltberühmten deutschen Künstler Gerhard Richter angelehnt.
Sein Schwiegervater (Sebastian Koch) betritt das Atelier: Ein Gynäkologe und überzeugter Nazi, der über wertes und unwertes Leben entscheidet. Seinen Schwiegersohn Kurt kann er nicht ausstehen. Er nutzt jede Gelegenheit, ihm das klarzumachen: «Weiss auf weissem Grund, ist das die neue Kunst? Sinnbild der Leere, so könntest du es nennen.»
«Ich freu mich auch über einen Verriss»
«Werk ohne Autor» schlägt hohe Wellen und spaltet die Kritiker. Von negativen Besprechungen über Lobeshymnen ist alles dabei. Vor allem die deutsche Presse geht mit Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck hart ins Gericht. Die aktuelle Ausgabe der Kulturzeitung «Monopol» schreibt: «Ein falsches Bild. Donnersmarck missversteht die Kunst gründlich, insbesondere die der 60er-Jahre.»
Der Regisseur nimmt’s gelassen: «Ich freu mich über ein Lob, ich freu mich aber auch über einen Verriss, weil ich merke, der Film bewirkt etwas in den Menschen.»
Hauptdarsteller Tom Schilling, der den Künstler Barnert spielt, erklärt sich die harsche Kritik so: «Donnersmarck hat keine Angst, die Geschichte ‹bigger than life › zu erzählen. Auch vor Pathos schreckt er nicht zurück. Das sind alles Sachen, die heute eher verpönt sind.»
Künstlerepos oder Fiktion?
Viel Gesprächsstoff liefert auch der Umstand, dass die fiktive Figur Kurt Barnert offensichtlich dem realen Künstler Gerhard Richter nachempfunden ist. Viele Kritiker stören sich daran, dass Barnert seinem Vorbild enorm gleicht, ohne dass der Regisseur exakt Richters Lebensgeschichte nacherzählen würde. Biografisches und Erfundenes durchdringen sich.
Für Donnersmarck sind diese Einwände absurd. «Wenn man behauptet, das ist jetzt die echte Figur, gibt es zwei grosse Gefahren: Entweder man ist wirklich sehr nahe an der echten Figur. Dann nimmt man sich die Freiheit, etwas besser zu erzählen. Oder man entfernt sich so weit von der Person, dass es schon wieder unfair ist, sie so zu nennen».
Obligatorische Geschichtstests für Politiker?
Auch wenn sich über die Art und Weise streiten lässt: «Werk ohne Autor» arbeitet viele Schattenseiten der deutschen Geschichte auf. Schauspieler Sebastian Koch findet es enorm wichtig, dass es heute solche Filme gibt: «Gerade ist politisch einiges los, was diesen Rechtsruck angeht. Das kennen wir schon. Das haben wir schon mal erlebt. Darüber muss man sprechen, aufpassen, reagieren und dafür ist so ein Film wunderbar.»
Florian Henckel von Donnersmarck findet, Geschichtsunterricht sollte für alle unabkömmlich sein. «Am allerwichtigsten ist er für Politiker. Ich finde, es müsste einen obligatorischen Geschichtstest geben für jeden Menschen, der sich zu irgendeiner Wahl aufstellt.»
Keine schlechte Idee. Ob ihre Umsetzung aber verhindern würde, dass wir die Fehler der Vergangenheit wiederholen, ist freilich eine ganz andere Frage.
Kinostart: 4.10.2018