Der Film «Sound of Metal» beginnt mit einem akustischen Feuerwerk: Wir befinden uns an einem Konzert, in einem kleinen Lokal, irgendwo im amerikanischen Hinterland.
Ruben schlägt schweissgebadet und wie in Trance wilde Rhythmen auf sein Schlagzeug. Seine Freundin Lou an der Gitarre schreit ins Mikrofon. Der Musikstil des Duos: irgendwo zwischen Punk und experimentellem Metal.
Plötzlich wird es still
Umso drastischer ist es, wenn es in Rubens lauter Welt plötzlich still wird. Vor einem Soundcheck durchdringt aus dem Nichts ein lautes Pfeifen seine Ohren. Danach ist nichts mehr wie vorher. Alles klingt nur noch wie aus weiter Ferne.
Panisch sucht Ruben den nächsten Arzt auf. Diagnose: Hörsturz. Ruben wird von Stunde zu Stunde weniger hören. Lauter Musik darf er sich ab jetzt nicht mehr aussetzen.
Geteilte Panik, geteiltes Leid
Dass wir in diesen Szenen Rubens Panik teilen, liegt daran, dass Regisseur Darius Marder in seinem Erstlingswerk sein Publikum am Hörverlust seines Protagonisten teilhaben lässt.
Wir hören, was Ruben hört, beziehungsweise nicht mehr hört. Die Tonspur des Films wechselt immer wieder zwischen der Aussenwelt und Rubens innerer dumpfen Klangwelt – als ob wir uns in Rubens Kopf befänden. Das ist klaustrophobisch und faszinierend zugleich.
Der Film: das Gesamtpaket
Doch nicht nur der ausgetüftelte Ton von Sound-Designer Nicolas Becker macht aus «Sound of Metal» ein umfassendes Erlebnis. Es ist auch das hypnotisierende Schauspiel von Riz Ahmed.
Er spielt den getriebenen Musiker Ruben mit viel charakterlicher Tiefe. In seinen grossen dunklen Augen kann man Rubens Gedanken regelrecht ablesen.
Alles steht auf dem Spiel
Es braucht nicht viele Worte von ihm und wir wissen: Für Ruben steht hier alles auf dem Spiel. Ruben ist Ex-Junkie und hat den Drogen-Rausch gegen den Rausch der Bühne getauscht. Er braucht sein Gehör für die Musik und die Musik zum (Über-)Leben.
Schliesslich landet Ruben in einem Zentrum für gehörlose Süchtige. Leiter Joe nimmt ihn dort in Empfang und erklärt ihm, um was es ihnen in der Institution geht: «Wir suchen hier eine Lösung für das», sagt er und zeigt auf seinen Kopf. «Nicht für das», ergänzt Joe und zeigt auf seine Ohren. Er meint damit, den psychischen Umgang mit der Gehörlosigkeit, nicht die Gehörlosigkeit an sich.
Was bleibt?
«Sound of Metal» könnte hier in das klassische Schema des Opfer-Dramas fallen: Ein schlimmes Ereignis passiert, der Protagonist wehrt sich erst gegen sein Schicksal und akzeptiert es schliesslich. Doch Regisseur Marder spielt mit den Erwartungen seines Publikums. Denn genau das passiert nicht.
Der Film zeigt einen zähen Kampf. Rubens Umgang mit der neuen Situation wird ein mühsames auf und ab. Dabei sind seine Taten manchmal nachvollziehbar, manchmal unverständlich.
Und genau deshalb geht der Film nicht nur akustisch unter die Haut. Die Frage steht im Raum: Was bleibt noch übrig, wenn man das, was unsereins mit Leben erfüllt, plötzlich nicht mehr machen kann?
Die ewige Stille
Der Film liefert keine einfachen Antworten auf die existenziellen Fragen. Das kann beim Zuschauen zutiefst traurig und auch schmerzhaft werden.
«Sound of Metal» bleibt aber genau deshalb bis zum Schluss unvorhersehbar. Der Film ist eine vielschichtige Leidensgeschichte. Bleibt zu hoffen, dass Ruben die Stille aushalten wird.