Zum Inhalt springen

Filmkritik «Tenet»: Bloss nicht versuchen, alles zu verstehen

Christopher Nolans neuer Blockbuster ist gewohnt spektakulär – solange man nicht versucht, ihn komplett zu verstehen.

Christopher Nolans Filme mussten immer schon mit einer gewissen Erwartungshaltung zurechtkommen. Welcher Regisseur schafft es denn sonst, aberhunderte Millionen am Boxoffice umzusetzen, ohne dabei den Respekt des Feuilletons zu verlieren?

«Tenet», sein neuer Sci-Fi-Agenten-Film, soll nun also das pandemiegeplagte Kino retten. Zumindest war dies in der Fachpresse in den vergangenen Monaten wiederholt zu lesen.

Im Film selbst steht noch mehr auf dem Spiel: Ein namenloser Protagonist (John David Washington) wird von einem Geheimdienst rekrutiert, der einen russischen Waffenhändler (Kenneth Branagh) stoppen soll, welcher über «Inversions-Technologie» verfügt.

Christopher Nolan unterhält sich auf dem Set mit John David Washington.
Legende: Haben nur Gutes übereinander zu berichten: John David Washington und Christopher Nolan. Warner Bros. Ent./Melinda Sue Gordon

Will heissen: Er kann Objekte und Personen vermeintlich rückwärts durch die Zeit schicken. Das ist natürlich ein Problem, denn nun droht der Dritte Weltkrieg.

Nicht alles muss man verstehen

Vermeintlich bedeutungsschwangere Konzepte sind bekanntlich nichts Neues für Nolan. Wer sich also von der ganzen Zeitreise-aber-eben-nicht-wirklich-Prämisse von «Tenet» skeptisch stimmen lässt, sollte sich an vergangene Blockbuster wie «Inception» oder «Interstellar» zurückerinnern.

Diese Filme musste man schliesslich auch nicht zu einhundert Prozent verstehen, um das Spektakel auf der Leinwand geniessen zu können. In «Tenet» rät eine andere Figur dem Protagonisten im expositionslastigen Anfang des Films sogar explizit, er solle nicht versuchen, alles zu verstehen.

Szene: Der Protagonist (Washington) und Neil (Pattinson) unterhalten sich vor einer Scheibe.
Legende: Harmonieren gut: Nolan-Neulinge Washington und Robert Pattinson. Warner Bros. Ent./Melinda Sue Gordon

Einen deutlicheren Wink mit dem Zaunpfahl könnte Nolan seinem Publikum wohl kaum geben.

Spätestens seit «The Dark Knight», der zweite Teil seiner Batman-Trilogie, Warner über eine Milliarde US-Dollar eingespielt hat, darf Christopher Nolan ohnehin mehr oder weniger machen, wozu er gerade Lust hat.

Tolle Bilder und ambitionierte Prämissen

Ob dabei nun ein Unterbewusstseins-Heist-Abenteuer («Inception»), ein Sci-Fi-Epos («Interstellar») oder ein Kriegsfilm («Dunkirk») herauskommt, ist letztendlich zweitrangig.

Wer sich Nolans Filme anschaut, erwartet keine tiefgründigen Charakterstudien oder emotionale Offenbarung – tolle Bilder, spektakulär inszenierte Action und ambitionierte Prämissen sind garantiert. Die kriegt man auch in «Tenet» zu sehen.

Szene: Andrei Sator (Kenneth Branagh) hält zwei Goldbarren.
Legende: Spielt einen russischen Bösewicht in Retro-Bond-Manier: Kenneth Branagh. Warner Bros. Ent./Melinda Sue Gordon

Die Erwartungshaltung, dass ein Film im Alleingang die Kino-Krise in die Geschichtsbücher verbannen könnte, war ohnehin nie realistisch. Selbst dann nicht, wenn dieser von Christopher Nolan stammt.

«Tenet» könnte allerdings einige Kino-Romantikerinnen und -Romantiker aus ihrem Dornröschenschlaf wecken.

Das hofft zumindest Hauptdarsteller John David Washington: «Es ist sehr aufregend, Teil eines Films zu sein, der die Leute daran erinnern kann, weshalb das Kino so wichtig ist. Wenn sie mit ihren Snacks und ihrem Popcorn in den Sälen sitzen und sich den Film ansehen, werden sie wertschätzen können, was die Kinoerfahrung ausmacht.»

In diesem Sinne: Ab ins Kino.

10 vor 10, SRF 1, 26.8.2020, 21.50 Uhr

Meistgelesene Artikel