Eigentlich erzählte der Spielfilm «Medium Cool» vom US-amerikanischen TV-Kameramann John Cassellis (Robert Forster), der emotionslos Berichte über Verkehrsunfälle macht.
Als er eine Romanze mit der Lehrerin Eileen (Verna Bloom) beginnt, fängt er an, seine Rolle im sensationsgeilen Medienbusiness zu hinterfragen.
Als während des Parteitags der Demokraten Unruhen in der Stadt ausbrechen und Eileens Sohn verschwindet, suchen sie gemeinsam den Jungen. Soweit die Handlung.
Fiktive Geschichte, echte Proteste
Wie bei jedem Spielfilm gibt es Schauspieler, die Geschichte ist fiktiv. Aber das Besondere des Films ist: Die Unruhen sind echt.
«Medium Cool» spielt in Chicago. Gedreht 1968. Zu der Zeit fand dort tatsächlich der Parteitag statt.
Als sich herausstellte, dass die Demokraten die Beendigung des Vietnamkriegs nicht in ihr Programm schreiben würde, wurden die jungen Leute wütend. Studenten protestieren gegen den in ihren Augen sinnlosen Konflikt, an dem sie nicht teilnehmen wollten.
Heftige Auseinandersetzungen
Regisseur Haskell Wexler wollte den politischen Sturm, der sich in der Stadt zusammenbraute, nicht ignorieren.
Mit einer kleinen Crew und den Hauptdarstellern begab er sich vor Ort. Zur Demonstration, wo es bald zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Kriegsgegnern und Polizei kam.
Drehabbruch wegen Tränengas
Schauspielerin Verna Bloom mischte sich zwischen die echten Demonstranten. Wexler filmte sie. Vera Bloom stach bei jeder Einstellung hervor. Im Hintergrund: Knüppel schwingende Polizisten und verletzte Demonstranten. Davor: Die Schauspielerin im leuchtend gelben Kleid.
Wexler selbst musste die Dreharbeiten irgendwann einstellen, nachdem seine Crew mit Tränengas besprüht worden war.
Der Regisseur hielt mit dem Film einen entscheidenden Moment der Gegenkultur der 1960er-Jahre fest, als viele Kriegsgegner zum Schluss kamen, dass friedliche Demonstrationen nicht ausreichen, um Veränderungen herbeizuführen.
Die «New York Times» schrieb über das ungewöhnliche Werk: «Ein Film von enormer visueller Wirkung, eine Art filmische Guernica, ein Bild von Amerika, das gerade dabei ist, in fragmentierte Teile von Feindseligkeit, Misstrauen, Angst und Gewalt zu zerfallen.»
Hollywood wird auf den Kopf gestellt
Und das «Time Magazine» urteilte: «So sehr fordert es die üblichen kommerziellen Filmtechniken und Themen heraus, dass Hollywood, das der zeitgenössischen Politik immer skeptisch gegenübersteht, sich nie wieder erholen wird. Sozial und filmisch ist ‹Medium Cool› Dynamit.»
Wexlers Hauptaugenmerk lag in «Medium Cool» auf Kritik der Medien-Berichterstattung. Die Sender wollten in Wexlers Augen nur Quote machen. Für sie waren die Proteste ein sensationelles Spektakel. Den inhaltlichen Hintergrund der Demonstrationen ignorierten sie. Dadurch trugen die Medien zum Kreislauf der Gewalt bei. Das war die Meinung von Wexler.
Gewalt will man sehen
Die Message wird unter anderem in einem Satz des Kameramanns John Cassellis im Film zum Ausdruck gebracht: «Wir zeigen die Gewalt. Wer will schon jemanden sehen, der sich hinsetzt und über Frieden spricht, es sei denn, er redet laut?»
Wexlers Botschaft an den Zuschauer war eindeutig: Fordert Fakten, keine Sensationen, dann kann es seriöse Berichterstattung geben.