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Film & Serien Gestutzter «Black Swan» - der Griff zur Schere für die Quote

Während nicht jugendfreie Sendungen meist erst nach 22 Uhr ins Programm kommen, werden manche Filme und Serien für die Primetime zurechtgestutzt. «Black Swan» die Flügel zu stutzen, ist schwierig und beraubt den Film auch einiger jener Qualitäten, die ihn zum gefeierten Kino-Hit gemacht haben.

Sendehinweis

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«Black Swan» – am 24. Februar erst um 22.10 Uhr dafür aber unversehrt zu sehen auf SRF zwei.

Dass Jugendschutz auch für das Fernsehprogramm gelten soll, wird niemand bestreiten. Weniger eindeutig ist, wie er gehandhabt werden soll. Anders als etwa beim Kino lässt sich bei der TV-Ausstrahlung nicht kontrollieren, wie alt der Zuschauer oder die Zuschauerin vor dem Bildschirm effektiv ist. Wie das Internet oder die hauseigene DVD-Sammlung ist auch das Fernsehen daheim jederzeit und für jeden verfügbar.

Deshalb haben sich zumindest im deutschen Sprachraum die Fernsehsender auf eine grobe Richtlinie geeinigt, was die Ausstrahlung nicht jugendfreier Sendungen angeht: Was erst ab 16 Jahren zugelassen ist, soll nicht vor 22 Uhr gezeigt werden. Und was erst ab 18 Jahren zumutbar ist, nicht vor 23 Uhr. Bei Wiederholungen solcher Sendungen online werden äquivalente Zeitschranken gesetzt.

Verantwortung bei den Erziehungsberechtigten

Der Autor

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Autor Michel Bodmer ist Redaktor in der Programmleitung TV von SRF. Er ist mitverantwortlich für die Planung des Film- und Serienprogramms sowie für Jugendschutzbelange.

Freilich funktionieren diese Regeln eher als Orientierungshilfe für Erziehungsberechtigte denn als unüberwindliche Hindernisse. Ob im Endeffekt trotz später Sendezeit und ausgestrahlter Warnungen doch Kinder und Jugendliche unter der betreffenden Altersgrenze zusehen, können die Sender ebenso wenig beeinflussen wie die Hersteller nicht jugendfreier DVDs oder Online-Anbieter jugendgefährdender Inhalte. Im privaten Raum bleibt ein (grosser) Teil der Verantwortung für das Wohl von Kindern und Jugendlichen bei den Erziehungsberechtigten.

Primetime bringt Quote, Quote bringt Kohle

Nun ist Fernsehen bekanntlich nicht nur ein Informations- und Unterhaltungsmedium, sondern auch ein Geschäft. Teuer erworbene Senderechte wollen refinanziert werden, über möglichst hohe Werbeerträge. Und diese lassen sich nur zur Primetime mit einem möglichst breiten Publikum generieren. Wie im US-Kino, wo ein R-Rating (Zutritt für Jugendliche unter 17 Jahren nur in Begleitung von Erwachsenen) oft als wirtschaftlicher Todesstoss für einen Film betrachtet wird, wollen viele Sender auch nicht mit der Ausstrahlung teuer erworbener Filme oder Serien bis um 22 Uhr warten müssen.

Also wird zur Schere gegriffen, um das entsprechende Programm – nach Ermessen der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen oder der Jugendschutzstellen einzelner Länder oder Sender – hauptabendtauglich zu machen. Will heissen: ab 12 Jahren zulässig.

Wie viele Filme und Serien zurechtgestutzt werden, damit sie schon um 20.15 Uhr ausgestrahlt werden können, ahnt der Normalverbraucher gar nicht. Wie etwa auf schnittberichte.com nachzulesen ist, reicht das Spektrum von den «Indiana Jones»-Filmen über «Ghost Rider» und «Ransom» bis zu TV-Serien wie «CSI», «Dr. House» und «Criminal Minds».

SRF - lieber spät, aber dafür original

SRF geht von der Prämisse aus, dass Spielfilme und Serien in ihrer unverstümmelten Originalfassung zu sehen sein sollten. Wenn das bedeutet, dass sie erst zu späterer Stunde und damit einem kleineren Publikum gezeigt werden, wird dies in Kauf genommen.

Die einzigen Ausnahmen zu dieser Regel sind SRF-Koproduktionen (z.B. «Räuberinnen» oder «Sennentuntschi»), bei denen schon zum Zeitpunkt der Herstellung mit den Filmschaffenden vereinbart wird, dass sie selbst neben der Kinofassung auch eine leicht entschärfte TV-Fassung gestalten sollen. Zudem steht es SRF dann frei, zu späterer Stunde die ungekürzte Kinofassung auszustrahlen, wie dies etwa im kommenden Sommer bei «Sennentuntschi» vorgesehen ist.

SRF profitiert obendrein von der noch geltenden, differenzierten Regelung der Kino-Altersfreigaben in der Schweiz, die zwischen den FSK-konformen Freigaben ab 12 oder ab 16 Jahren auch eine Zulassung ab 14 Jahren kennt. Ein Film wie «The Dark Knight» etwa, der in den Schweizer Kinos überwiegend ab 14 Jahren lief, kann bei SRF daher – mit der entsprechenden Warnung – am Hauptabend gezeigt werden, ohne dass man dafür dreieinhalb Minuten herausschneidet wie in Deutschland.

Gestutzer «Schwarzer Schwan»

Frau mit Riss in Porzellan-Teint
Legende: Nina (Nathalie Portman) erlebt eine grausige Verwandlung ihres Körpers. SRF/20th Century Fox

Das aktuelle Beispiel des Films «Black Swan», der in der Schweiz im Kino ab 16 Jahren lief, stellt TV-Zensoren vor einige Probleme. Hier geht es nicht um ein paar Gewaltszenen, bei denen «die Spitzen gekappt» werden sollen, indem man etwa eine Nahaufnahme entfernt oder weniger Blut zeigt. «Black Swan» ist von Grund auf als beklemmendes, nicht kindertaugliches Psychodrama konzipiert. Die verstörte Protagonistin Nina erlebt – egal, ob real oder eingebildet – drastische Szenen voller Sex und Gewalt sowie die grausige Verwandlung ihres eigenen Körpers.

Die traumatischen Bilder, insbesondere der Cronenberg-mässige «body horror», den Regisseur Darren Aronofsky in Szene setzt, sind wesentliche, unentbehrliche Bestandteile der Geschichte. Dem «Black Swan» die ästhetischen Flügel zu stutzen, ist somit nicht nur schwierig, sondern beraubt den Film auch einiger jener Qualitäten, die ihn zum gefeierten Kino-Hit (für Erwachsene) gemacht haben.

Wer wissen will, wie sich die eigentlich kaum kürzbaren Fassungen für die Primetime vom Original unterscheiden, wird dies nach Ausstrahlung auf schnittberichte.com nachlesen können.

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