Wer hätte das gedacht? Mel Gibson – seit antisemitischen Äusserungen Persona non grata in Hollywood – gibt in Tinseltown ein ehrenvolles Comeback: Die wahlberechtigten ausländischen Journalisten haben seinen neuen Film «Hacksaw Ridge» für drei Golden Globes nominiert.
Hat Hollywood dem 61-Jährigen seine Ausrutscher verziehen? Es scheint fast so. Mel Gibsons Kriegsepos, bei dem er Regie führte, holt Golden Globe Nominationen in den Kategorien bestes Drama, beste Regie und bester Drama-Hauptdarsteller (Andrew Garfield).
Standing Ovation
«Hacksaw Ridge» hat schon an seiner Weltpremiere am Filmfestival von Venedig begeistert und erhielt eine zehnminütige Standing Ovation. Eine grosse Genugtuung für Mel Gibson, der seit seiner letzten Regiearbeit «Apocalypto» (2006) nur in einigen nicht erwähnenswerten Rollen zu sehen war, darunter in Jodie Fosters missglücktem «The Beaver» (2011).
Trailer
In «Hacksaw Ridge» tut Gibson, was er als Regisseur am besten kann: mit grosser Geste auf eine blutige Katharsis zusteuern. Kein anderer Jesus-Film war so gewaltreich wie Gibsons «The Passion of the Christ» (2004). Auch «Braveheart» (1995) und «Apocalypto» geizten nicht gerade mit Filmblut.
Pathetische Heldengeschichte
In «Hacksaw Ridge» nun fliegen abgerissene Körperteile über die Leinwand. Und der Armee-Arzt Desmond T. Doss (Garfield), der den Dienst an der Waffe verweigert, schleift die Verwundeten von den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkriegs.
Doss existierte wirklich, wuchs strenggläubig auf und sah das Töten als grösste Sünde an. Genau diese Art Heldengeschichte reizt Gibson. Das gibt ihm die Möglichkeit, mit viel Pathos einen kleinen Mann als grossen Helden zu stilisieren.
Das Heilige in der Hölle
Das ist das Markenzeichen Mel Gibsons Regiearbeiten: Er sucht in der Hölle nach dem Heiligen. Und oft schwelgt er so sehr in den infernalischen Gewaltdarstellungen, dass man sich zurecht fragt, worum es ihm denn nun geht.
Auf alle Fälle hat der gebürtige Australier eine unglaubliche Karriere hinter sich. Anfang der 80er-Jahre als Schauspieler berühmt geworden durch die «Mad Max»-Filme seines Landsmanns George Miller, fasste er schliesslich auch in Hollywood Fuss, wo er mit Action-Regisseur Richard Donner vier «Lethal Weapon»-Filme drehte.
Neuanfang als Regisseur und Schauspieler
Zwischendurch spielte Gibson durchaus auch ernstere Rollen, sei es in Peter Weirs «The Year of Living Dangerously» (1982) oder Wim Wenders’ «The Million Dollar Hotel» (2000). In «Hacksaw Ridge» jedoch konzentriert er sich nun ganz auf die Regie.
Auf die Frage, warum er nicht wenigstens den Vater des Helden gespielt habe, antwortete Gibson deadline.com: «Hugo Weaving hat mich umgehauen. Wenn du jemanden wie ihn kriegen kannst, dann stellst du ihn ein. Was er leistet, könnte ich gar nicht. (...) Mein grösstes Interesse liegt in der Regie.» Sagt er, hat aber als Schauspieler den Thriller «Blood Father» abgedreht und dreht zurzeit «The Professor and the Madman» über den ersten Herausgeber des Oxford English Dictionary. Da will es einer offensichtlich noch einmal wissen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kulturnachrichten, 21.12.2016, 16:30 Uhr.