Als «Game of Thrones» im Sommer zu Ende ging , hinterliess die erfolgreiche Serie eine grosse Lücke. Mit «His Dark Materials» will der Pay-TV-Sender HBO offenbar diese Lücke zumindest etwas auffüllen.
Die Ähnlichkeiten zwischen den Serien sind offensichtlich. «His Dark Materials» ist eine Fantasy-Serie, aber mit überschaubaren Fantasy-Elementen.
Zeppeline und «Daemone»
Der Look der Serie erinnert an das viktorianische Zeitalter. Es fliegen Zeppeline und Heissluftballons durch die Luft. Telefone gibt es keine.
Ein zentrales Fantasy-Element sind die tierischen Gefährten, die jeder Mensch in dieser Welt hat: Die Tiere – «Daemonen» genannt – sind so etwas wie die manifestierte Seele des Menschen.
Die Daemonen spiegeln in ihrem Aussehen den Charakter ihres menschlichen Pendants. Von Schneeleopard bis Schmetterling: Es ist alles dabei, was das Tierreich und die CGI-Technik hergeben.
Kirchenkritik inklusive
Inhaltlich verhandelt die Serie – wie «Game of Thrones» – zeitlose politische, ja philosophische Themen. Die Buchvorlage von Autor Phillip Pullman gibt sich höchst kritisch gegenüber Religion und Autoritäten. Die Bücher haben eine deutliche anti-klerikale Haltung.
Autor Pullman bezeichnete sein Werk einmal als Inversion von John Miltons «Paradise Lost». Der Titel «His Dark Materials» ist auch ein direktes Zitat aus einem berühmten Milton-Gedicht.
Into this wild abyss, The womb of nature and perhaps her grave, Of neither sea, nor shore, nor air, nor fire, But all these in their pregnant causes mixed Confusedly, and which thus must ever fight, Unless the almighty maker them ordain His dark materials to create more worlds.
Die kirchen- und generelle Obrigkeitskritik fehlen in der Serie nicht. Sie geben dem Ganzen einen philosophischen Überbau, der über das genre-übliche Gut-gegen-Böse-Gerangel hinaus geht.
Kaum Sex, wenig Blut
Einen grossen Unterschied gibt es zu «Game of Thrones»: Sex und Gewalt sind weitaus seltener und weniger explizit. Die Serie ist familienfreundlich: Die Heldin ist ein Mädchen, die 12-Jährige Lyra, ein Teenager. Neben Fantasy-Story und Kirchenkritik ist es auch eine Coming-of-Age Geschichte.
Dafne Keen («Logan») glänzt als rebellischer, aber liebenswerter Teenie Lyra. Das Waisenkind und ihr Daemon Pantalaimon wachsen gut behütet im Jordan College in Oxford auf.
In ihrer Welt regiert eine Art Theokratie. Das Magisterium, was stark an die katholische Kirche erinnert, bestimmt, was gut und sittsam ist – und was eben nicht.
Hollywood-Star James McAvoy («Atonement», «X-Men») gibt Lyras geheimnisvollen Onkel, der als Forscher im hohen Norden Beweise für etwas findet, was das Magisterium als Heresie einstuft. Soweit die Ausgangslage.
Liebevolles Setting
HBO hat für «His Dark Marterial» viel Geld in die Hand genommen und das Ergebnis lässt sich sehen. Das Setting ist atemberaubend, die Welt, die Phillip Pullman in seinen Bücher erschuf, wird extrem detailverliebt wiedergegeben. Visuell ist die Serie eine reine Freude.
Allerdings gibt es bei solchen Spektakeln immer denselben Kritikpunkt: Die Storyline geht manchmal vor lauter Effekten unter. Stellenweise ist das alles hölzern erzählt, die erzählerische Tiefe aus Pullmans Büchern wird kaum erreicht.
Mehr Mut der Erzähler wäre angebracht
Beispielsweise werden die tierischen Begleiter dramaturgisch vor allem dazu eingesetzt, dem unwissenden Zuschauer zu erklären, was gerade passiert.
Das mag manchmal hilfreich sein. Besser wäre es, diese wunderbare Welt einfach wirken zu lassen, und weniger zu zerreden. Man wünscht sich manchmal, die Macher würden den Zuschauerinnen und Zuschauern mehr zutrauen – und sie auch einfach mal verwirrt und in Unwissenheit zu lassen.