Wer Milagros Mumenthalers Erstling « Abrir puertas y ventanas » mochte, war gespannt auf «La idea de un lago». Wer ihn für seine scheinbare Leichtigkeit hasste, wartete auf Bestätigung. Ein bisschen enttäuscht wurden beide Seiten.
Ein Film, zwei Achsen
«La idea de un lago» bewege sich auf zwei Achsen, sagt Milagros Mumenthaler: Auf der einen gehe es um die dokumentarische Arbeit, auf der anderen um Erinnerungen.
Gemeint sind Arbeit und Erinnerung der hochschwangeren Inès in Buenos Aires. Sie will unbedingt vor der Geburt ihres Kindes einen Fotoband fertigstellen: eine grossformatige Arbeit, die sich dem Ferienhaus der Familie widmet, ihren Kindheitserinnerungen und den Erinnerungen an den während der Militärdiktatur verschwundenen Vater.
Endlich Gewissheit
Gleichzeitig will Inès endlich Klarheit über den Verbleib des Vaters und meldet darum sich, ihre Mutter und ihren Bruder bei der Nachforschungsstelle für Opfer der Diktatur für einen Bluttest an.
Sollte der Vater unter den neu gefundenen Opfern sein, könnte sie ihrem Kind wenigstens gesichert Auskunft geben, sollte es dereinst nach seinem Grossvater fragen. Für Inès' Mutter ist das allerdings ein Alptraum. Sie hat die Hoffnung nie aufgegeben, ihren Mann einmal wieder zu sehen.
Baden mit dem Familienauto
Inès fährt mit dem Auto der Mutter zum Ferienhaus an den See. Sie trifft sich dort mit ihrem Bruder, sie rudert zur Insel hinüber, wo das letzte und einzige Foto entstanden ist, das sie als kleines Mädchen zusammen mit ihrem Vater zeigt.
Eingeschoben sind traumartige Erinnerungen an Versteckspiele der Kinder im Wald und surreal-traumartige Sequenzen wie jene, in der die kleine Inès mit dem Familienauto im See um die Wette schwimmt.
Das ist alles kunstvoll und fliessend verschachtelt und verwebt, Inès rührt als Figur – und geht einem auch auf die Nerven.
Eine unbestimmte Suche
Bei aller Kunstfertigkeit wirkt Mumenthalers Werk nicht mehr so unmittelbar wie «Abrir puertas y ventanas». Mit ihrem Erstling war sie mittendrin im Leben ihrer Protagonistinnen und führte es an einen Punkt des endgültigen Wandels. An einen Neubeginn.
«La idea de un lago» dagegen bewegt sich in alle Richtungen, sucht, zeigt, kombiniert und bekommt die Vorstellung doch nur punktuell zu fassen. Die Suche von Inès fördert zwar vieles zutage, aber gelangt dabei nicht zu einem unverrückbaren Punkt. So wirkt der ganze Film wie eine Suche.
Ein Bild bleibt in Erinnerung
Ein Bild allerdings, mit dem Mumenthaler genau diese Offenheit auf den Punkt bringt, bleibt in Erinnerung: Die Kinder haben sich im nächtlichen Wald versteckt, mit Taschenlampen, die sie als Hinweis an die Suchenden jeweils kurz aufblitzen lassen.
Inès will unbedingt gewinnen, also nicht gefunden werden, und knipst die Lampe zur Empörung ihres kleinen Bruders gar nicht erst an. Bis sie vom Waldrand her immer mehr Lichter auf sich zukommen sieht.