Das Wichtigste in Kürze:
- «The Handmaiden» ist der neuste Film des südkoreanischen Regisseurs Park Chan-wook.
- Sein Kammerspiel der Verführung und Intrige spielt in einem japanischen Haushalt im kolonialisierten Korea der 1930er-Jahre.
- Die Figurenkonstellation ist mehr als eine politische Metapher – Park zeigt Liebe und Sex als Instrumente der Macht.
Wir sind in Korea, aber nur fast: In den 1930er-Jahren ist Korea eine japanische Kolonie. Wir sind in einem japanischen Haus in Korea, aber nur fast: Die eine Hälfte des Gebäudes ist im englischen Baustil gehalten, die andere hingegen japanisch, weil der Aufftraggeber sowohl westliche als auch östliche Kultur schätzt. Später erfahren wir: Das Hauptinteresse des reichen Japaners gilt fast ausschliesslich der gedruckten Pornografie.
Von Anfang an Betrug
Doch vorerst steht dessen junge Nichte im Zentrum, die ebenfalls im Haus wohnt: Sie heisst Hideko, ist ein zerbrechliches Geschöpf und muss gepflegt werden. Hierzu wird die junge Koreanerin Sookee engagiert, die zwar schon fremde Babies betreut hat, sonst aber Taschendiebin ist.
Sie soll ihre fragile Herrin mit gezielten Avancen gefügig machen. Denn eingefädelt wurde die Anstellung durch einen ominösen Grafen im Hintergund, dessen Hauptziel wir schon früh im Film erfahren: Er will sich das Vermögen des reichen Onkels erschleichen.
Mehr als eine politische Metapher
Natürlich bietet sich für diese brenzlige Konstellation eine politische Lesart an: Auf der einen Seite die japanische Kolonialmacht, die sich selbstherrlich auf koreanischem Boden breitgemacht hat und mittlerweile dekadent vor sich hinsiecht. Und auf der anderen Seite die kolonialisierte Unterschicht, die sich die Schwächen ihrer Vögte gezielt zunutze macht. Sexuelles Intrigieren als Metapher für Politik? Nein, ganz so einfach ist das nicht.
Der Drehbuchautor und Regisseur Park Chan-wook schaufelt im Verlauf des Films vielmehr einen tiefen Graben zwischen den beiden Frauen und den beiden Männern, die das Geschehen bestimmen.
Die lesbische Erotik, die sich zwischen der Herrin und ihrer Magd einstellt, trägt nämlich wider Erwarten keine sadomasochistischen Züge, sondern sie entwickelt sich zu einem natürlichen und konsequenten Gegenentwurf zur Sexualität der Männer, die nur über Ausbeutung, Hinterlist und Perversion zu funktionieren scheint.
Nur Rädchen im Getriebe?
Doch dieser Schluss könnte ein vorschneller sein, denn es folgen etliche Wendepunkte, und sehr lange bleibt offen, wer in «The Handmaiden» eigentlich die Wahrheit sagt. Womöglich gar niemand.
«Wir alle spielen unsere Rollen so verdammt gut», denkt sich die Magd einmal, als sie ihre Herrin und den Grafen heimlich durchs Fenster beim Liebesspiel beobachtet. Und sie weiss zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich noch nicht einmal, wie recht sie damit hat.
Alle vier Figuren des Films sind bis zu einem gewissen Grad geschmierte Rädchen in einem infernalischen Getriebe, das sich längst verselbständigt haben könnte – zumindest, bis der letzte Akt samt Enthüllung gespielt ist.
Und das ist freilich Geschmackssache: Einzelne Kritiken zu «The Handmaiden» warfen Park Chan-wook die Kälte und Distanz vor, die er gegenüber den Protagonisten in seinem neusten Film einnimmt. Sein Blickwinkel, vor allem in den ziemlich freizügigen Sexszenen, würde anteilslos und voyeuristisch wirken.
Liebesglück erfordert Kalkül
Zugegeben: Sehr feinfühlig ist dieser Film bei aller gezeigten Intimität nicht. Aber diese formalistische Strenge gibt zumindest eine Weisheit preis: Körperliche Liebe ist – ob echt oder vorgetäuscht – selbst apolitisch betrachtet meist ein Machtspiel. Und «The Handmaiden» erzählt nicht zuletzt davon, wie dieser Umstand – mit viel Kalkül und Verstellung – überwunden werden könnte.
Kinostart: 4.5.2017
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Kompakt, 4.5.2017, 07:20 Uhr