Sie heissen Darlene Love, Judith Hill, Merry Clayton, Tata Vega oder Lisa Fischer. Stevie Wonder, Michael Jackson, die Rolling Stones oder Tina Turner – sie alle wählen die Nummern dieser Sängerinnen, wenn sie die Musik gesanglich aufs nächste Level heben wollen.
Insbesondere Lisa Fischer gilt als eine der begehrtesten Backgroundstimmen der Gegenwart – nicht zuletzt wegen ihren legendären Performances zu «Gimme Shelter» mit den Rolling Stones. Aber nicht nur darum hat die New York Times sie den heimlichen Star von «Twenty Feet From Stardom» genannt.
«Sorry, wir können keine zweite Aretha Franklin lancieren»
Lisa Fischer steht beispielhaft für das Leben vieler Backgroundsänger. Diese stehen in der zweiten Reihe, sie sehen das als Erfüllung aller Wünsche oder auch nicht. Einige starten Solokarrieren, die nie richtig abheben – weil zum Beispiel der Marketingplan der Plattenfirma nicht aufgeht. Andere, wie Lisa Fischer, entscheiden sich letztlich gegen die Karriere auf eigene Faust.
Trotz Grammy Award für ihren Solo-Hit «How Can I Ease The Pain» (1991) , entschied sich Fischer wieder in den Hintergrund der Bühne zu treten. Das Rampenlicht behagte ihr nicht. Rückblickend meint sie: «Das zweite Album nicht zu machen war zuerst eine Enttäuschung. Diese wich dann aber einer inneren Ruhe. Ich konnte mit dem Erwartungsdruck, der auch mit diesem kleinen bisschen Berühmtheit einher kam, schlicht nicht umgehen.» Fischer wollte unerkannt die Strasse runter laufen können. Sie wollte singen. Keine Sonnenbrille anziehen müssen.
Karriereschub dank Doku
Aber auch der Job als Backgroundsängerin verlangt vieles von Fischer ab. Sie kämpft gegen die Hürden, denen sie als Frau im Musikbusiness gegenübersteht und erinnert sich: «Es war ein dauernder Krieg zwischen meinen persönlichen Bedürfnissen und dem was von mir verlangt wurde. Mein Gewicht entschied, ob ich einen Job bekam oder nicht.» Fischer litt jahrelang an Essstörungen. Trotz aller Erfolge. Trotz aller Lorbeeren.
Der Film «Twenty Feet From Stardom», meint Fischer nachdenklich, sei ein Geschenk. Nicht nur für sie selbst, sondern für alle porträtierten Sängerinnen. Sie gingen zusammen auf Tour. Der Film verlieh ihren Karrieren neuen Schub und schob in der Folge einige von ihnen sachte vom Hintergrund ins Zentrum der Bühne. Fischer reist seitdem erstmals mit ihrer eigenen Band um die Welt.
Wahre Helden leben im Hintergrund
Auf die Frage, wie der Film ihr musikalisches Leben beeinflusst hat, meint Fischer: «Als Backgroundsängerin mache ich innerhalb der Songs Einwürfe und unterstützte die Person, welche die eigentliche Geschichte erzählt. Nun stehe ich selbst vorne auf der Bühne und erzähle Geschichten. Songs von Anfang bis Schluss durchzusingen und das mit dem Publikum zu teilen ist das Schönste überhaupt.»
Keith Richards sagte über Lisa Fischer einmal: «Lisa ist stärker als alle Jungs zusammen.» Und Sting war unmissverständlich: «Ich sehe sie als Star. Sie ist ein Star.» Was auch immer das heisst – der Film gibt nicht nur Lisa Fischer, sondern allen gewaltigen Stimmen im Hintergrund einen Namen. Und das, so scheint es in Hinblick auf ihre musikalischen Errungenschaften, ist nicht nur fair – der Film artikuliert eine oft vergessene Tatsache: die wahren Helden leben oft im Hintergrund.
Sendung: «Sternstunde Musik», Sonntag, 1. Januar 2017, 21:55 Uhr, SRF 1