Bis vor 50 Jahren wurden in der Schweiz tausende Kinder ihren Familien entrissen und in ein anderes Umfeld versetzt. Oft wurden die Kinder als günstige Arbeitskräfte missbraucht. Die Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der jüngeren Schweizer Geschichte hält an. Verdingkinder gibt es heute in der Schweiz immerhin nicht mehr - bis auf eines: Auf Instagram berichtet die fiktive Anna aus ihrem schwierigen Alltag als Verdingkind.
Der Instagram-Kanal « Vergiss mich nie » ist ein Projekt der Studentinnen Yvonne Haberstroh und Elena Clavadetscher. Annas Geschichte besteht aus Ereignissen, die sich tatsächlich zugetragen haben, erzählt Elena Clavadetscher. Die Geschichte stehe sinnbildlich für all die Kinder, die von diesem Unglück betroffen waren.
SRF: Wie ist das fiktive Verdingkind Anna entstanden?
Elena Clavadetscher: Vor zwei Jahren haben Yvonne Haberstroh und ich an der ZHdK ein Projekt zum Thema Pflegekinder gemacht. Während der Recherche sind wir auf das Thema Verdingkinder gestossen.
Weshalb habt ihr entschieden, die Geschichte auf Instagram zu erzählen?
Wir wollten eine junge Zielgruppe ansprechen - die Generation, die auf Instagram unterwegs ist. Diese Generation ist nicht mehr direkt betroffen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass man sie erinnert, was alles geschehen ist. Die Idee der Instagram-Serie ist, dass man durch Echtzeit-Posts sehr nah an den Zuschauerinnen und Zuschauern ist.
Wie erreicht ihr die, die nicht auf Instagram sind – also zum Beispiel ältere Menschen?
Unsere Hauptplattform ist Instagram. Aber wir sind dran, einen YouTube-Kanal aufzubauen. Dort wird man im Nachhinein das Ganze am Stück schauen können. So werden auch Personen, die nicht auf Instagram sind, nicht ausgeschlossen.
Anna hat diese Woche die ersten Geschichten von sich über Instagram erzählt. Wie waren die ersten Reaktionen?
Sehr positiv. Wir staunten, wie die Leute mit dem Schicksal von Anna mitfiebern. Es haben sich auch Leute gemeldet, die Betroffene im eigenen Umfeld haben. Alle Rückmeldung war sehr positiv.
Soziale Medien leben von Reaktion. Gibt es bei euch auch Raum für Spontanes?
Ja, es gibt Raum für Spontanes. Aber wenn man zum Beispiel als Zuschauer Anna helfen möchte, geht das natürlich nicht – da schlussendlich alles Geschichte ist und in der Vergangenheit liegt.
Noch bis Ende Mai erzählt Anna ihre Geschichte über den Instagram-Kanal. Habt ihr da schon alles durchgeplant?
Das ist mehr oder weniger durchgeplant. Wenn Anna um halb fünf morgens aufsteht, muss natürlich auch um diese Uhrzeit gepostet werden.
Das Gespräch führte Michael Brunner.