«A play by William Shakespeare, with additional dialogue by Sam Taylor». Diese Einblendung war Gerüchten zufolge im Vorspann der ersten Hollywood-Tonfilmfassung eines Shakespeare-Stücks zu sehen.
Man schmunzelt: Ein ordinärer Schreiberling befand es anscheinend für notwendig, die Zeilen des Barden mit dichterischem Eigenwerk auszuschmücken.
Dem Spielfilm «Love & Friendship» könnte man eine ähnliche Texttafel voranstellen: «A novel by Jane Austen, with additional dialogue by Whit Stillman».
Nur braucht man diesmal nicht zu schmunzeln: Neben den vielen originalgetreuen Austen-Verfilmungen hat sich der freie Umgang mit dem Schreibstil der Autorin längst eingebürgert – von «Clueless» (1995) über «Bridget Jones's Diary» (2001) bis zu «Pride and Prejudice and Zombies» (2016).
Stilgetreue Umsetzung
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Der US-Filmemacher Whit Stillman («Barcelona», «The Last Days of Disco») nimmt Austens Frühwerk «Lady Susan» allerdings nicht zum Anlass für eine beliebige Interpretation in eigener Sache, sondern versucht sorgfältig, die in Briefform verfasste und post mortem publizierte Novelle im Sinn und im Stil der Autorin weiterzudenken.
Nur für Kenner
Das alles muss man vorausschicken, weil sonst eine der grössten Qualitäten des Films «Love & Fiendship» unsichtbar bliebe: Wer nicht in die Materie eingelesen ist, schafft es kaum, die Textpassagen von Jane Austen und die Dialoge von Whit Stillman auseinanderzuhalten.
Andererseits muss man sagen: Wer nicht gründlich in die Materie eingelesen ist, wird in der ersten Viertelstunde des Films nur schon Mühe haben, die in Scharen auftretenden Figuren einzuordnen.
Wer liebt wen?
Im Zentrum des Geschehens, das Ende des 18. Jahrhunderts in England angesiedelt ist, stehen die durchtriebene, attraktive Witwe Lady Susan (Kate Beckinsale) und ihre scheue Tochter Frederica (Morfydd Clark). Um sie herum schwirren die vielen Mitglieder der wohlhabenden Familien Manwaring, Vernon, Johnson und DeCourcy.
Und wie fast immer bei Jane Austen lauten die Fragen: Wer liebt wen? Wer soll mit wem verkuppelt werden? Wer schläft mit wem? Und vor allem: Wer heiratet am Ende wen?
Genau diese Sorte von basalem Plot haben vergangene Jane-Austen-Verfilmungen immer wieder mit diversen Zutaten aufgebläht: Mit Romantik, Erotik, Drama, Spannung oder Gesellschaftskritik, mit Slapstick oder mit explizitem feministischen Unterton. Whit Stillmans Film beweist nun: Es geht auch ohne all das.
Der Wortwitz regiert
Stillman interessiert sich vor allem für die Sprache, in der Austen ihre Stoffe abhandelt. Für die Ironie, für die permanente Doppelbödigkeit und natürlich für die hohe britische Kunst, im süsslichsten Tonfall das Gegenüber zu erniedrigen und zu beleidigen, ohne dabei die Etikette des Hauses zu verletzen.
Entsprechend ist «Love & Friendship» ein ausgesprochen dialoglastiger Film: Die Figuren sitzen in Kutschen, in Salons oder vor dem Kamin, sie streifen durch die Gänge von Herrenhäusern oder durch deren Gärten, und sie reden, reden, reden.
Verborgene, sprachliche Pointen
Aber so einseitig das klingt: Austen war eine Meisterin im Wiedergeben von geistreicher Konversation. Und Whitman, der in seinen Filmen schon immer gerne Frauen sprechen liess, trifft ihren Ton mit Lust und Wonne.
Fast jeder gesprochene Satz in «Love & Friendship» verbirgt eine mehr oder weniger offensichtliche Pointe, und dieses urkomische, brillant gespielte Fest am Altar der englischen Sprache dauert bis in den Abspann hinein.
Nein, respektvoller – und kurzweiliger – kann man Jane Austen nicht verfilmen.
Kinostart: 29. Dezember 2016
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 28.12.2016, 07:20 Uhr