Jerry Lewis wollte Zeit seines Lebens nicht erwachsen werden. Er wollte ein Neunjähriger, ein Kind bleiben. Das hat er bis ans Ende seines Lebens durchgezogen: Er blieb der Grimassen schneidende Zappelphilipp.
Ein Clown im Konzentrationslager
Clowns sind lustig. Immer. Aber hinter allem stecke eine Tragik. Sagt man. Dieser Mythos bewahrheitet sich auch bei Jerry Lewis, dem Sohn jüdischer Einwanderer: 1972 beginnt er mit den Dreharbeiten zu seinem Film «Am Tag, als der Clown weinte». Lewis dreht in Schweden und Frankreich. 116 Drehtage sind angesetzt.
Die Geschichte spielt in Nazi-Deutschland. Der Clown Helmut Doork, gespielt von Jerry Lewis, zieht in angetrunkenem Zustand über Hitler her. Und wird denunziert. Die Gestapo greift ihn auf. Er kommt ins Lager. Er weiss sehr schnell, was den jüdischen Kindern bevorsteht. Der Clown macht seine Spässe. Das wird ihm verboten. Er hält sich nicht an das Verbot.
Der Handel mit dem Teufel
Der Lagerkommandant erkennt im Spassmacher einen Nutzen. Und so bietet er dem Clown einen Handel an: Er solle die Kinder auf dem Weg zur Gaskammer mit Spässen unterhalten und werde irgendwann in sein altes Leben zurückkehren.
Der Clown willigt ein. Der Film erzählt vom Unvorstellbaren, von der Grenze des menschlich Fassbaren. Es ist ein Handel mit dem Teufel, dem er seine Seele verkauft.
Der meistgesuchte ungesehene Film
Der Komiker Jerry Lewis spielt nicht nur diesen Clown, er führt auch Regie: «Ich war in den Konzentrationslagern Bergen-Belsen, Dachau, Auschwitz … Ich bin vor den Dreharbeiten fast elf Monate durch Europa gereist…».
27 Jahre nach Kriegsende ist es der erste Film, der versucht, Konzentrationslager und Komik zusammenzubringen. Nach Ende der Dreharbeiten kehrt Jerry Lewis in die USA zurück und schaut das Drehmaterial an.
Er findet es nur schrecklich: «Juden, die man vergast, wo soll denn da die Comedy sein?», findet er und lässt den Film verschwinden.
Er weigert sich jahrzehntelang, darüber zu sprechen. Interviews bricht er unwirsch ab . Um den Film ranken sich seitdem Mythen. Er ist ein Phantom und einer der meistgesuchten ungesehenen Filme.
«Dieser Film wird mich bis an das Ende meiner Tage verfolgen.»
Erst 2016, in einer Dokumentation der ARD, realisiert von Eric Fiedler, spricht Lewis erstmals und ansatzweise über den Film: «Das Ganze hat mich einfach völlig verwirrt. Und dann einen solchen Film einem Publikum zu zeigen, das völlig verwirrt zurückbleibt? Den ganzen Irrsinn zu erklären, das konnte ich nicht mehr. Für mich war es einfach nur noch schlechte Arbeit. Die Liebe, die ich einst für das ganze Projekt entwickelt hatte, hatte sich in das Gegenteil verkehrt. Plötzlich schien alles schrecklich. Dieser Film wird mich bis an das Ende meiner Tage verfolgen.»
Das Drehbuch ist vollständig erhalten . Darin heisst es unter anderem: «Wer mit Angst regiert, für den ist das Lachen ein unerträgliches Geräusch». Und das ist wohl die Hoffnung des Clowns, den Lewis da spielt.
Er begleitet ungezählte Kinder in den Tod. Und sie lachen. Ein letzter Gang, eine letzte Geste von Menschlichkeit, für die, die von Gott verlassen sind.
Der Clown geht mit, bis zu jenem Tag, wo wieder Kinder vor ihm stehen. Ein kleines Mädchen schaut ihn an. Er sieht in ihren Augen, dass sie weiss, was passieren wird.
Im Drehbuch heisst es: «Ich nahm das Kind bei der Hand und führte es auf seinen Weg. Ich erzählte ihm von der Liebe Gottes und lehrte es Beten. Und als ich über bessere Wege nachdachte, das Kind zu trösten, während wir so Hand in Hand gingen, und ich es führte, merkte ich, es führte mich.»
Der Film endet in der Gaskammer.