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Kurzfilmfestval Look & Roll Festivalleiter: «Die Coronakrise ist eine Zerreissprobe»

Look & Roll ist eines der wenigen Filmfestivals zum Thema Behinderung weltweit. Seit 2006 präsentiert das Kurzfilmfestival in Basel alle zwei Jahre filmische Beiträge über das Leben mit Einschränkungen. Wie geht man am Look & Roll mit der Coronakrise um? Festivalleiter Gerhard Protschka über Masken mit transparentem Mundstück und andere Massnahmen.

Gerhard Protschka

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Gerhard Protschka ist künstlerischer Leiter des internationalen Kurzfilmfestivals Look & Roll.

SRF: Die Corona-Krise zeigt uns, wie schnell der hohe Grad an Selbstbestimmung, den wir in unserer Demokratie leben, in Frage gestellt ist. Wie geht es Menschen mit einer Beeinträchtigung in diesen wirren Zeiten?

Gerhard Protschka: In meinem Bekanntenkreis habe ich gesehen, dass Betroffene zum Teil besser mit der Krise umgehen als Menschen ohne Behinderung. Denn ihr Leben ist auch ohne Corona geprägt von Ausfällen und Unmöglichkeiten. Viele sind auch eine Art Quarantäne gewohnt.

Aber es gibt natürlich auch das Gegenteil. Ein Teenager im Rollstuhl, den ich kenne, spielt Rollhockey. Es ist seine einzig mögliche körperliche Betätigung. Doch die bleibt ihm seit Corona verwehrt. Das ist hart.

Menschen mit Beeinträchtigung gehören oftmals zur Risikogruppe

Auch für meine demente Mutter im Heim – und damit auch für uns – ist die Coronakrise eine Zerreissprobe. Wochenlang durften wir sie nicht besuchen. Jetzt zumindest wieder im Aussenbereich. Doch in ihr Zimmer dürfen wir nicht. Wir wissen nicht, unter welchen Bedingungen sie dort lebt.

Es wird derzeit viel über Grundrechte und Verbote, über Individualität und Solidarität debattiert. Welche Meinung vertreten Menschen mit Behinderung?

Oftmals gehören sie zur Risikogruppe. Viele würden das Risiko rauszugehen trotzdem gerne auf sich nehmen. Wenn diese Menschen dann aber einen Grossteil der Bevölkerung auf der Strasse ohne Maske sehen, kommen verständlicherweise Ängste hoch. Sie bleiben wieder zuhause. Das ist Ausgrenzung.

Es ist klar, dass weniger Gäste kommen werden

Wer auch immer das Gefühl hat, gesund zu sein und keine Maske tragen zu müssen, sollte es zumindest aus Rücksichtnahme und Respekt tun. Wenn ich sehe, welches Leben Menschen mit Behinderung zum Teil führen, ist es doch ein Klacks, sich in dieser Ausnahmesituation an einen Mund- und Nasenschutz zu gewöhnen.

Welche Änderungen ergeben sich wegen Covid-19 nun für das Festival Look & Roll 2020?

Wir sind zum ersten Mal in der Kaserne Basel. Dort gibt es Barrierefreiheit und ausreichend Platz, alle erforderlichen Massnahmen umzusetzen. Dennoch ist es klar, dass weniger Gäste kommen werden. Ein Jurymitglied wird auch fehlen, weil die Kollegin eine schwere Behinderung hat.

Und weil wir gerade über Masken sprachen: Im Publikum sind auch immer Schwerhörige. Sie sind es meist geübt darin, Lippen zu lesen. Also tragen wir beim Festival Masken mit einem integrierten transparenten Folienstück, damit man den Mund sieht.

Was gleich bleibt: die Audiodeskription für Blinde und deskriptive Untertitel für Gehörbeeinträchtigte. Die Moderation wird in Gebärdensprache übersetzt.

Das Ziel des Festivals ist es ja, das Thema Behinderung unter die Menschen zu bringen, ein Umdenken in Gang zu setzen. Mit weniger Publikum ist das schwierig. Oder?

Mehr wäre hier mehr, klar. Wichtig ist uns aber, dass das Festival überhaupt durchgeführt werden kann. Und wir brennen wieder eine DVD, damit auch in Zeiten von Corona diese wunderbaren Arbeiten, die wir die letzten zwei Jahre zusammengetragen haben, gesehen werden können.

Das Gespräch führte Nicole Salathé.

Look & Roll

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Die 8. Ausgabe des internationalen Kurzfilmfestivals Look & Roll findet vom 17. - 20. September 2020 in der Kaserne Basel statt. 23 Filme aus aller Welt laufen in fünf Wettbewerbsprogrammen.

Sendung: SRF 1, Kulturplatz, 17.9.2020, 22:20 Uhr ; 

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