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Mehr Vielfalt an Oscars Die Oscars sollen diverser werden

Die Academy ändert ihre Anforderungen an nominierte Filme. Sie will Minderheiten fördern. Gut so!

Ein kritischer Artikel sollte dies werden. Er sollte Fragen nachgehen wie: Können bald nur noch Filme über Lesben ins Oscar-Rennen gehen? Werden jetzt reihenweise Filme ausgeschlossen?

Grund für diese Fragen: Die Oscar-Academy hat neue Anforderungen erstellt an Filme, die in der Hauptkategorie «Best Picture» nominiert werden. Für alle anderen Kategorien gelten weiterhin keine Vorgaben.

Britta Gfeller

Filmredaktorin beim Schweizer Radio und Fernsehen

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Mehr Diversität, mehr Nachwuchs

Ab 2024 müssen Filme mindestens zwei der vier Anforderungen erfüllen, damit sie als Bester Film ins Rennen gehen können.

2 von diesen 4 Standards muss ein Best-Picture-Film erfüllen

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Standard A: Repräsentation von Minderheiten on-screen

Um diesen Standard zu erreichen, muss der Film eines der folgenden Kriterien erfüllen:

  • Mindestens eine Hauptrolle oder eine wichtige Nebenrolle wird von einem Menschen aus einer unterrepräsentierten ethnischen Gruppe übernommen. Dazu zählen Menschen aus Asien, aus Lateinamerika, Schwarze/African Americans, Indigene, Menschen aus dem Nahen Osten und Nordafrika, von Hawaii oder anderen Pazifischen Inseln sowie andere unterrepräsentierte Ethnien.

Oder

  • Mindestens 30 Prozent der kleineren Rollen sind besetzt mit Menschen aus mindestens zwei der folgenden unterrepräsentierten Gruppen: Frauen, ethnische Gruppen, Menschen aus der LGBTQ+-Community (also Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans-Menschen, Queers und andere) und Menschen mit kognitiver oder körperlicher Behinderung

Oder

  • Die Story handelt von einer der unterrepräsentierten Gruppe aus Punkt 2.

Standard B: kreative Führung und Projektteam

Um diesen Standard zu erreichen, muss der Film eines der folgenden Kriterien erfüllen:

  • Mindestens zwei der kreativen Führungspositionen sind mit Menschen aus den unterrepräsentierten Gruppen besetzt (Frauen, ethnische Minderheiten, LGBTQ+, Menschen mit Behinderung). Zu den kreativen Führungspositionen zählen: Casting Director, Kameraperson, Komponist*in, Kostümdesigner*in, Regisseur*in, Editor*in, Hairstylist*in, Produzent*in, Maskenbildner*in, Produktionsdesigner*in, Bühnenbildner*in, Sound-Verantwortliche*r, VFX-Supervisor*in (verantwortlich für visuelle Effekte), Autor*in.

Oder

  • Mindestens eine dieser Positionen ist ausserdem von einer Person aus einer der unterrepräsentierten ethnischen Gruppen besetzt (Menschen aus Asien, aus Lateinamerika, Schwarze/African Americans, Indigene, Menschen aus dem Nahen Osten und Nordafrika, von Hawaii oder anderen Pazifischen Inseln sowie andere unterrepräsentierte Ethnien).

Oder

  • Mindestens sechs andere Crew-Mitglieder und Technische Mitarbeitende gehören einer unterrepräsentierten ethnischen Gruppe an.

Oder

  • Mindestens 30 Prozent der Crew gehören einer unterrepräsentierten Gruppe an (Frauen, ethnische Minderheiten, LGBTQ+, Menschen mit Behinderung).

Standard C: Industrie-Zugang und Chancen

Um diesen Standard zu erreichen, muss der Film beide der folgenden Kriterien erfüllen:

  • Die Vertriebs- oder die Finanzierungs-Firma des Films bietet bezahlte Praktikums- und Ausbildungsstellen in verschiedenen Abteilungen. Diese Stellen sollen an Menschen aus den unterrepräsentierten Gruppen gehen (Frauen, ethnische Minderheiten, LGBTQ+, Menschen mit Behinderung). Kleinere Studios müssen mindestens zwei Praktikant*innen oder Auszubildenen haben in mindestens einer Abteilung.

Und

  • Die Firmen bieten Menschen aus den unterrepräsentierte Gruppen Schulungs- und Arbeitsmöglichkeiten

Standard D: Publikumsentwicklung

Um diesen Standard zu erreichen, muss der Film folgendes Kriterium erfüllen:

  • Das Studio oder Filmunternehmen hat mehrere Führungskräfte aus unterrepräsentierten Gruppen (Frauen, ethnische Minderheiten, LGBTQ+, Menschen mit Behinderung) in Marketing, Werbung und Vertrieb.

Kurz gesagt geht es darum, dass in den Filmen Minderheiten repräsentiert werden, dass die Teams diverser sein sollen und dass bei der Filmproduktion Nachwuchs-Talenten die Chance zur Mitarbeit gegeben wird.

Sehr, sehr viel Spielraum

Ein kritischer Artikel sollte dies werden. Wie die Regeln die Filmschaffenden einengen könnten. Wie sie das Gesicht der Oscars verändern könnten.

Doch: Wer sich die Zeit genommen hat, die ganze Box durchzulesen – ist ein bisschen lang, aber ziemlich interessant – merkt: Den Filmschaffenden bleibt auch mit den Standards noch sehr, sehr viel Spielraum.

100 weisse Schauspieler und 1 Hairstylistin

Diesen Spielraum könnte man kritisieren. Dass die Anforderungen so schwammig sind, dass jeder Film sie irgendwie zurechtbiegen kann.

Filmszene: Zwei junger Mann und eine junge Frau sitzen neben einer Toilettenschüssel und schauen aufs Smartphone.
Legende: «Parasite», der Gewinnerfilm vom letzten Jahr. FilmCoopi/BarunsonE&A

Es müssen schliesslich nur zwei der vier Anforderungen erfüllt werden. Theoretisch könnte ein Cast also zu 100 Prozent aus weissen Männern bestehen, solange im Hintergrund einige unterrepräsentierte Ethnien ein Praktikum machen und ein paar Frauen als Hairstylistinnen arbeiten.

Erste Trophäe für einen LGBTQ+-Film im Jahr 2017

Die Standards sind ein weiterer Versuch der Oscar-Academy für mehr Diversität. Nachdem sie in den letzten Jahren mehrmals dafür kritisiert wurde, dass nur Weisse nominiert waren.

Erst letztes Jahr ging die Trophäe für «Best Picture» zum ersten Mal nicht an einen englischsprachigen Film. Sondern nach Südkorea für Bong Joon-hos «Parasite». 2017 gewann mit «Moonlight» zum ersten Mal ein Film über einen LGBTQ+-Charakter.

Es ist bekannt, dass es Frauen im Business schwieriger haben. Dass es kaum Blockbuster über die LGBTQ+-Community gibt.

Dass es eine Schlagzeile wert ist, wenn ein Superhelden-Film einen All-Black-Cast oder eine Komödie einen All-Asian-Cast hat. Und einen All-Indigenous-Cast oder einen All-Trans-Cast gab es so gut wie nie.

Klar kritisieren jetzt einige, dass alles zu Tode geregelt wird. Dass Filme nach irgendwelchen Quoten statt nach Qualität ausgewählt werden.

Doch für die meisten Filme wird sich gar nicht viel ändern. Die nominierten Filme der letzten Jahre hätten fast alle mindestens zwei der vier Standards erfüllt.

Filmszene: Ein Mann steht im Meer und hält einen Jungen über Wasser.
Legende: «Moonlight» gewann den Hauptpreis 2017 – und hätte die neuen Anforderungen erfüllt. A24/DCM

Was sich durch die Regeln ändern könnte, ist das Bewusstsein für die Thematik. Offensichtlich braucht es manchmal Vorschriften, damit ein Umdenken stattfindet.

Damit die Anforderungen irgendwann hoffentlich so verinnerlicht werden, dass es sie gar nicht mehr braucht.

Nur noch Filme über Lesben - why not?

Wir werden also sicher nicht nur noch Filme über lesbische Frauen an den Oscars sehen. Obwohl das auch mal cool wäre. Schliesslich besteht da ein grosser Aufholbedarf.

Kritisch sollte dieser Artikel werden. Ist er auch. Doch er kritisiert nicht, dass die Academy endlich kleine Baby-Schrittchen in Richtung mehr Diversität macht. Denn das ist dringend nötig.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 9.9.2020, 6.02 Uhr

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